Ich weiß nicht, was ich üben soll! – Songarbeit remote üben

Der Alltag macht Sängern das Üben oft schwer oder verhindert es ganz. Remote Practice heißt dann das Zauberwort. Entdecke hier konkrete Impulse, wie du von unterwegs aus deine Songarbeit remote üben kannst.

 

Alle Artikel der „Ich weiß nicht, was ich üben soll!“-Reihe findest du hier.

 

Was ist Remote üben?

Remote Practice bzw. „Fernüben“ ist das Üben außerhalb des Proberaums. Wenn kein Klavier und keine Gitarre in der Nähe ist. Wenn es noch nicht mal angebracht ist, zu singen – in der U-Bahn, auf dem Nachhauseweg, im Wartezimmer des Arztes. Eben genau dann, wenn du im Alltag Luft hast und etwas für deinen Gesang tun willst.

Selbstverständlich kannst du alle hier vorgestellten Impulse auch im Proberaum ausführen. Zum Beispiel, wenn du auf deine Bandkollegen wartest. Oder wenn du abwechselnd singst (20 Minuten Üben) und schweigst (10 Minute Fernüben). Letzteres ist nach einer schweren Erkältung ein leichterer Einstieg ins Üben als gleich eine Stunde am Stück zu singen.

Für alle geeignet

Die Impulse zum Fernüben sind für alle Level geeignet. Ein Anfänger muss sie jedoch nicht bis ins Extrem treiben, während ein Fortgeschrittener Sänger mit mehr Tiefe große Fortschritte machen kann und ein Profi sich an Altbekanntes erinnert, das ihm früher schon mal geholfen hat, und er so auf hohem Niveau bleibt.

Der Song im Ganzen

  • Schreib deine Repertoireliste. Was kannst du spontan aus dem Hut zaubern?
  • Schreib deine Arbeitsliste. Woran arbeitest du gerade? Welche Herausforderungen hast du dabei noch? Oder was fehlt den Songs noch?
  • Schreib deine Wunschliste. Welche Songs willst du in (naher) Zukunft lernen?
  • Hör dir die Songs an, die du als nächstes einstudieren möchtest.
  • Analysiere Aufnahmen von anderen Künstlern. Was beeindruckt dich? Was gefällt dir? Was nicht? Was machen sie anders, als es in den Noten steht oder als es der Originalkünstler getan hat? Was fügen sie der Melodie hinzu oder lassen es weg? Wie deutlich ist die Artikulation? Wie erzählen sie die Story? Wie wirken die Songs im Ganzen?
  • Überlege, wie du erkennst, wie lange du einen Song einstudieren und proben musst, bis er auftrittsreif ist.
  • Kläre die Entstehungsgeschichte. Gibt es einen besonderen Hintergrund, wie der Song entstanden ist? Solche Details kannst du später in Moderationen verwenden.

Die Melodie

  • Markiere die Formteile in deinen Noten. Dann kannst du später gezielt an einem bestimmten Teil arbeiten und weißt direkt, wo du anfangen und aufhören musst.
  • Übe die Melodie mental. Stell dir vor, du würdest die Melodie singen. Atme an den passenden Stellen. Isoliere Schwachstellen und mach dir bewusst, was schief läuft und wie du sie verbessern kannst.
  • Entwickle ein Symbol zum Atmen und eins für extrakurze Atempausen. Trag sie in deine Noten oder dein Textblatt ein.

Der Rhythmus

  • Trainiere schwierige Rhythmen mental. Denk an einen Rhythmus im Song, der dir Probleme bereitet. Klopfe ihn, variiere das Tempo, übe ihn isoliert. Füge später Melodie oder Text hinzu und kehre zu deinem beabsichtigten Tempo zurück.

Der Text

  • Schreib den Text am PC ab. Formatiere ihn so, wie er für dich Sinn macht.
  • Übersetze die Lyrics. Verstehst du, worum es geht?
  • Fasse die Lyrics in wenigen Sätzen zusammen.
  • Sprich den Text laut oder innerlich. Mach dich mit der Abfolge vertraut und lern, ungewohnte Phrasen flüssig zu sprechen. Verinnerliche die Aussprache.
  • Interpretiere den Text. Verstehst du nicht nur die Wörter, sondern auch den Sinn dahinter?
  • Hinterfrage die Story des Songs. Falls der Song von etwas erzählt, was du selbst (noch) nicht erlebt hast, schaff dir deine eigene Geschichte. Lass die Lyrics lebendig werden. Ein Song wird authentisch, wenn dir dein Publikum glaubt, dass du die Dinge selbst erlebt hast, von denen du erzählst.
  • Lerne den Songtext auswendig.

Die Interpretation

  • Kläre den Stil des Songs. Wer ist der Künstler? Hat er den Song gecovert? Falls ja, von wem stammt das Lied ursprünglich? Ziehe daraus Rückschlüsse über das Genre, die Dekade und den Stil des Songs.
  • Kläre die Basics des Songs. In welcher Tonart und Taktart steht der Song? Welches Tempo hat er? Welche Veränderungen (Tonart, Tempo) wirst du vornehmen müssen bzw. wollen? Mit welchen gesangstechnischen Hürden musst du rechnen?
  • Plane deine Lautstärken. Was macht der Originalkünstler? Gefällt dir das? Kannst du es umsetzen? Was willst DU machen?
  • Überlege dir, wie du die Aussage des Songs kommunizieren willst. Denke über Dynamik, Stimmeffekte, Register, Emotionen, Ausdruck nach.

Die Improvisation

  • Hör dir mehrere Aufnahmen des Songs vom Originalkünstler an und beobachte, wo er oder sie improvisiert. Was wird verändert? Teile der Melodie, der Rhythmus der Melodie, einzelne Wörter?
  • Mach dir Gedanken, warum der Originalkünstler den Song verändert hat. Manchmal ist es nötig, weil der Song bei einer Veranstaltung live gespielt wird und weniger oder mehr Zeit zur Verfügung steht. Weil eine Solonummer zu einem Duett gemacht wird. Weil sich die Band anders zusammensetzt und es dafür ein neues Arrangement braucht. Oder einfach nur, weil der Künstler improvisieren wollte. Je größer die Veränderungen gegenüber der Originalversion, desto wahrscheinlicher ist es, dass äußere Umstände die Veränderungen nötig gemacht haben.
  • Beobachte, wann der Song mehrstimmig wird. Welche Wörter oder Phrasen werden dadurch betont? Ist die Mehrstimmigkeit eher über der Melodie, drunter oder drum herum verteilt? Singen nur die Backing Vocalists oder ist der Leadsänger Teil der Mehrstimmigkeit?
  • Überlege dir, welche dieser Anregungen du selbst ausprobieren möchtest. Was interessiert dich? Was kannst du dir am ehesten mit deiner Stimme vorstellen?

Der Auftritt

  • Lerne deine Songs im Gesamten auswendig. Konzentriere dich dabei nicht nur auf Melodie, Text und Rhythmus. Beziehe auch die Begleitung, das Arrangement, Dynamik, Interpretation und Gesten mit ein.
  • Plane anstehende Auftritte. Was willst du singen? Was musst du mit der Band absprechen? Um welches Equipment kümmerst du dich selbst? Welche Instruktionen brauchen Licht und Ton von dir oder der Band? Wer kümmert sich darum, den Auftritt aufzunehmen? Wie viel Vorbereitungszeit habt ihr?
  • Überlege dir, wie die ideale Aufführung des Songs klingen soll. Welches Arrangement wünschst du dir? Wie soll der Song klingen?
  • Schau dir Livekonzerte von anderen Künstlern an und beachte, wie sie zwischen den Songs überleiten. Wenn sie ein paar Worte ans Publikum richten, was erzählen sie? Sagen sie nur den Titel an? Erzählen sie, wie der Song entstanden ist (z.B. Billy Idol im VH1 Storytellers Konzert)? Stellen sie die Band oder einzelne Solisten vor? Aus welchem Land der nächste Song kommt (z.B. Steve‘n‘Seagulls im Trans Musicales Konzert)?
  • Schreib die Setliste für den nächsten Auftritt. Wie sieht deine ideale Setlist aus? Hast du No-Go’s – Songs, die auf gar keinen Fall nacheinander kommen dürfen? Oder Hell-Yeah’s – Songs, die du unbedingt in einer bestimmten Reihenfolge singen willst?
  • Falls du nicht moderieren möchtest (und auch niemand sonst aus der Band das übernehmen möchte): Könnt ihr mehrere Songs zu einem Medley zusammenführen? Dann plane die musikalischen Überleitungen und wie lang sie dauern sollen bzw. müssen, bis alle ready für den nächsten Song sind.
  • Überlege dir, wie die Ansingprobe stattfinden soll. Wo willst du in der Generalprobe einsteigen? Wie lang willst du den Song singen? Reichen dir ein paar Töne durchs Mikro, damit der Tontechniker deine Stimme kennenlernt? Oder brauchst du die Sicherheit, den Song einmal komplett durchzusingen? Mit wie viel Intensität willst du die Generalprobe singen?
  • Führe ein Auftritts-Log. Wann hast du gesungen? Wer hat dich begleitet? Welche Songs hast du performt? Wie stehen deine Einnahmen und Ausgaben? Was lief super? Was mittelprächtig? Was ging gar nicht? Was würdest du im Nachhinein ändern? Wenn etwas schief ging, woran lag es und was kannst du tun, um das in Zukunft zu vermeiden? Was wünschst du dir für das nächste Mal? Wie aktiv warst du im letzten (halben) Jahr und bist du damit zufrieden?
  • Wenn du mit Lampenfieber kämpft, trainiere 1-2 Techniken, die dir helfen könnten. Such dir ein paar Methoden aus, die dir sinnvoll erscheinen, deine Nerven zu beruhigen. Und dann trainiere sie.

Die Musiktheorie

  • Lerne Noten lesen. Kann niemals schaden.
  • Trainiere dein Gehör.
  • Trainiere Intervalle singen.

Fazit

Remote Practice kommt dir vielleicht übertrieben vor. Die Songarbeit remote üben Aufgaben sind nicht wahnsinnig schwer oder spannend. Ihren Effekt wirst du aber sehen, sobald du wieder im Proberaum stehst und sofort mit dem Singen anfangen kannst, statt wertvolle Zeit mit den Vorbereitungen zu verplempern.


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