Wie du einen Popsong a cappella arrangieren kannst

Zum Ende der A Cappella für Solo-Sänger Woche möchte ich dir zeigen, wie du einen Popsong a cappella arrangieren kannst. Der Prozess ist nämlich leichter als du annimmst.

 


A Cappella Songs sind, an sich, kein eigenes Genre, denn jeder Song kann für a capella eingerichtet werden.

 

“A cappella is or can be every style.” (Deke Sharon)

 

Es ist eine Art der Instrumentierung. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. So wie jedes Genre seine eigenen Gepflogenheiten hat, sollte auch ein A Cappella Song die entsprechenden stimmlichen Ausdrucksmittel enthalten.

 

In diesem Artikel möchte ich Einsteigern in den A Cappella Gesang zeigen, wie du jeden beliebigen Popsong a cappella arrangieren kannst. Der Prozess ist für beide Sorten von A Cappella Songs – teilweise unbegleitet oder komplett unbegleitet – derselbe.

 

Vorbereitungen

Nachdem wir das geklärt haben, lass uns ein paar Vorüberlegungen anstellen. Dazu brauchst du den Text ausgedruckt auf einem Blatt Papier.

 

Zunächst solltest du dir einen Überblick verschaffen. Trage diese auf dem Textblatt ein.

  • Gibt es ein Intro oder Outro?
  • Wie viele Strophen hat der Song?
  • Wie viele Refrains?
  • Kommt eine Bridge vor?
  • Und was ist mit instrumentalen Solos?

 

Dabei wird dir bewusst werden, ob du den Song kürzen und straffen möchtest. Zu lange Songs wirken a cappella ermüdend und langweilig. In “Burn” von Ellie Goulding kommen PreChorus und Chorus insgesamt 5 Mal vor! Auch ein sechsminütiges Gitarrensolo wird a cappella schwer umzusetzen sein. Achte darauf, dass der Song trotz der Kürzungen ausgewogen verläuft.

 

Außerdem solltest du klären, in welcher Tonart du den Song singen möchtest. A Cappella singen kann an sich schon stressig sein. Zusätzlich noch Panik vor zu hohen oder zu tiefen Tönen? Oder dass der Chorus genau in deinem Registerübergang liegt? Braucht kein Sänger. Schau, dass deine Vocal Range und die Range des Songs zusammenpassen.

 

Die Spielanleitung

Ganz konkret möchte ich dir den Ablauf am Song “You Won’t See Me” von den Beatles zeigen. Den habe ich zuvor zwar bei den kompletten A Cappella Songs einsortiert. Er funktioniert aber auch hervorragend für teilweises A Cappella.

 

Zuerst die vorbereitenden Überlegungen:

Der Song ist nicht übermäßig lang: Strophe 1, Strophe 2, Bridge, Strophe 3. Keine instrumentalen Zwischenspiele, kein Intro, kein Outro. Kurzum: nichts zu kürzen.

Die Beatles singen den Song in A-Dur mit einem Umfang von 10 Tönen, was ich für meine Stimme auch bequem finde.

 

Und jetzt beginnt der Spaß.

 

Überlege dir, welcher Abschnitt sich am besten für a capella singen eignet.

Schau, wo die Melodie harmonisch und einfach verläuft. Vermeide einen Abschnitt mit großen Tonsprüngen, wenn du noch an deiner Intonation arbeitest – und schwierige Rhythmen, wenn du gerade dein Rhythmusgefühl trainierst.

Gut eignen sich die erste Strophe, das Ende des Refrains, die Bridge oder die Coda bzw. das Outro. Singst du den Anfang oder das Ende des Songs a cappella, wirkt es sanft. Das Ende des Refrains wird a cappella überraschend. Es betont die Textaussage. Und eine a cappella Bridge wirkt wie ein Bruch: einschneidend, überraschend, schockierend.

 

“You Won’t See Me” ist jetzt nicht sonderlich schwer. Die Melodie verläuft größtenteils in Tonstufen. Große Intervalle beschränken sich auf Sextsprünge in den Strophen und einen fiesen Tritonus in der Bridge. An der Melodie würde ich bei diesem Song nicht festmachen, welcher Abschnitt nun unbedingt “Hier! Ich! Sing mich unbegleitet! Ich bin einfach!” schreit.

Wenn deine Intonation sicher ist, bietet sich die Bridge allerdings sehr an.

 

Wenn das bei deinem Song auch zutrifft, kannst du schauen, welche Textstelle sich eignet, um durch das A Capella betont zu werden – oder den Song in ein ganz neues Licht rückt.

Ein Beispiel: “I’m only human after all. Don’t put the blame on me.” wird zwar bereits viel früher in “Human” (Rag’n’Bone Man) gesungen. Nach der Bridge “Some people got the real problems! Some people out of luck! Some people think I can solve them! Lord heavens above!” wirkt es aber ungleich stärker. Wütend, fassungslos, Hände über dem Kopf zusammenschlagend.

Ein zweites Beispiel: Die Textzeile “They took you away on a table, I pace back and forth as you lay still, they pull you in to feel your heartbeat” in der 2. Strophe von “Hold On” (Overchord) hat mich echt überrascht. Denn es geht keinesfalls um eine Trennung, sondern um einen versuchten Selbstmord.

Die zentrale Aussage in “You Won’t See Me” ist für mich “You won’t see me” im Sinne von: Warum ignorierst du mich? Diese vier Takte haben es mir angetan. Die Background Vocals würde ich an dieser Stelle von einer Gitarre spielen lassen, wenn ich keine Backgroundsänger zur Verfügung habe.

 

Nachdem ich nun den Abschnitt gefunden habe, den ich a cappella singen möchte, möchte ich noch die Songaussage klären. Sie beeinflusst die Gestaltung.

Die Botschaft des Songs ist gut zu erkennen: vergebliches Bitten um Liebe. Dahinter steckt für mich das Gefühl von Verzweiflung. Das hat für mich 3 Auswirkungen:

Erstens darf das Tempo auf der drängelnden Seite von “mäßig schnell” sein.

Zweitens darf ich bewusst mit den Längen der langen Noten spielen. Die Verzweiflung schwankt zwischen Hoffnungslosigkeit (tendenziell kurze Notenwerte) und Dringlichkeit (tendenziell lange Notenwerte).

Drittens möchte ich darauf achten, die Dynamik mehrschichtig anzuwenden. Geht die Melodie nach unten, wird es leiser. Geht die Melodie nach oben, wird es lauter. Sehr schön hörst du das in der Bridge.

 

Auf (Body) Percussion möchte ich bei “You Won’t See Me” verzichten. Ich möchte, dass der unbegleitete Abschnitt so überraschend und plötzlich wie möglich wirkt. Andere Songs werden hingegen (Body) Percussion brauchen. “We Will Rock You” ohne Stampfen und Klatschen wäre Blasphemie!

 

Fazit

Einen Popsong a cappella zu arrangieren ist nicht schwer. Du benötigst einen Überblick über die Abschnitte, um festzulegen, welchen du unbegleitet singen möchtest. Außer der Tonart solltest du außerdem die Messages des Songtexts herausfinden, denn sie beeinflusst deine Emotionen und deine Gestaltung.

Viel Spaß beim Ausprobieren!

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