Wie du A Cappella Singen lernst

A Cappella Singen ist die einfachste und komplizierteste Möglichkeit zu singen. Warum das so ist und wie du es mit 5 goldenen Regeln lernen kannst, zeige ich dir in diesem Artikel.

 

Dieser Artikel ist Teil der A Cappella für Solo-Sänger Woche. Die anderen Artikel findest du am Ende dieses Artikels.

Jeder Mensch ist Sänger.

Der Eine ist trainierter. Der Andere ist weniger trainiert. Doch wir alle singen unter der Dusche, im Auto und zum Radio, wenn gerade niemand zu hause ist.

 

“Most people would be very happy with their singing level if they only did it more often.”

 

Die meisten Menschen wäre zufrieden mit ihrem Gesang, wenn sie es nur häufiger täten, sagt Deke Sharon in “So You Want To Sing A Cappella”. Recht hat er damit.

Und wie leicht ist es, ohne Instrumente zu singen. Deine Stimme hast du schließlich immer dabei. Deshalb ist A Cappella Singen auch die einfachste Option, mit der menschlichen Stimme Musik zu machen.

 

A Cappella Singen – was ist das eigentlich?

A Cappella bedeutet zunächst einmal nur “aus der Kapelle”. Im 16. Jahrhundert hatte es sich als Kompositionsstil für mehrstimmige Vokalensembles in der Kirchenmusik etabliert.

Die Idee der Mehrstimmigkeit hat sich erhalten. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist A Capella Gesang mit Gruppen wie The Chordettes (“Mister Sandman”), den Comedian Harmonists (“Wochenend und Sonnenschein”), Pentatonix (“Daft Punk Medley”) und Voxid (“Music Ain’t My Thing”) auch in der Popularmusik angekommen.

Doch was haben Vokalensembles, die unbegleitet und in close harmony singen, auf einem Blog zu tun, wo es um Solosänger geht? Ganz einfach:

A Cappella singen zu können, nützt jedem Sänger.

 

Auf der einen Seite zeigt es eine ganz neue Seite an dir, wenn du unbegleitet auftrittst. A Capella Gesang zeigt Verletzlichkeit. Die Aufmerksamkeit des Publikums ist sofort und allein bei dir. Wie unter einer Lupe stehst du mit deiner Stimme direkt im Mittelpunkt – und zugleich auch der Song und seine Botschaft.

Diese intime Nähe verlangt viel von dir vor allem Mut und die Nerven im Griff zu behalten. Dich quasi ungeschminkt der Welt zeigen.

Und sie belohnt dich mit Selbstbewusstsein. Mit dem Wissen, die Menschen im Publikum wirklich und ohne instrumentale Hilfsmittel erreicht zu haben. Damit, eine Brücke geschlagen zu haben, von deiner Stimme in die Seelen der Menschen. Mit Stolz. Mit Selbstvertrauen.

 

Auf der andere Seite verdeutlicht a capella singen, was du als Sänger kannst. Es zeigt die nackte Wahrheit. Wie gut du deine Stimme beherrschst und wie viel Musikalität in dir steckt. Wie sicher deine Intonation und dein tonales Zentrum ist. Wie sicher dein Gefühl für den Beat und die melodischen Rhythmen. Wie gut du gestalten und interpretieren kannst und die Performance spannend halten kannst.

 

Wenn du wissen willst, ob du singen kannst, sing a cappella.

 

Du kannst dich hinter nichts verstecken und niemandem die Schuld an deinen Fehlern geben. Du bist für alle Elemente des Songs selbst verantwortlich.

 

5 goldene Regeln, wie du A Cappella Singen lernen kannst

Eingangs hab ich behauptet, A Cappella Singen ist die einfachste und zugleich die komplizierteste Art zu singen. Doch was ist schon kompliziert daran, den Mund zu öffnen und direkt zu starten?

 

Wie wäre es mit der Tatsache, dass du dabei komplett auf dich allein gestellt bist?

Die Intonation sinkt? Du bist Schuld.

Text vergessen? Keiner da, der dir hilft.

Der Rhythmus stolpert? Dein Problem.

 

Die Mehrheit der Anfänger-Sänger kann mit diesem Druck nicht umgehen. Wenn du absoluter Anfänger bist, dann lern deine Stimme bitte erst einmal kennen.

Hast du jedoch schon Erfahrung im Umgang mit deiner Stimme und möchtest dich im unbegleiteten Singen probieren, dann lies jetzt weiter.

 

1. Regel: Übe. Trainiere. Experimentiere.

Wie bei jedem Musikinstrument gibt es auch beim A Cappella Singen eine Lernkurve. Die ersten Schritte werden grausig. Du wirst frustriert sein. Und du wirst besser mit der Zeit. Sei hartnäckig.

 

2. Regel: Kläre Beat und Tempo.

Kläre, in welcher Taktart der Song steht. Ein 4/4-Takt fühlt sich anders an als ein 3/4 oder ein 6/8, um die gängigsten Taktarten im Popgesang zu nennen. Klopfe den Grundschlag mit dem Fuß oder mit der Hand auf dem Oberschenkel. Das Gehirn lernt besser, wenn es nicht nur rational versteht, sondern gleichzeitig aktiv tut.

Und nimm um Himmels Willen nicht gleich das Originaltempo, wenn du den Song gerade erst lernst. Bequeme 70-80% des späteren Endtempos reichen vollkommen aus, um nicht in Stress zu geraten.

 

3. Regel: Üb mit einem Instrument.

Nein, du hast dich nicht verlesen. Die Melodie lernst du am effektivsten mit einem Instrument. Benutze ein Klavier, ein Keyboard oder eine Klavier-App, um die Töne und Abfolgen zu lernen. Du musst dafür kein Pianist sein. Du musst noch nicht einmal fließend Notenlesen können. Das 1-Finger-Such-System funktioniert perfekt für diese Zwecke.

Übrigens, ob du mit Noten lernen möchtest oder nicht, überlasse ich dir. Du weißt am besten, wie du effizient lernst. Wenn du den Song nur wenig kennst oder die Melodie nicht gut hören kannst, können Leadsheets jedoch echt hilfreich sein.

 

4. Regel: Nicht zu viel auf einmal.

Entgegen dem urbanen Mythos vom Multitasking kann sich das Gehirn nur 7 Einheiten auf einmal merken. Das bedeutet nicht, dass du genau 7 Töne abzählen musst und nur genau die übst. Es bedeutet aber, dass du nicht direkt die ganze erste Doppelstrophe am Stück lernen und immer wieder von vorn durchsingen sollst!

Beginne mit 1-2 Textzeilen und wiederhole sie. Sing sie unbegleitet. Überprüfe dich mit dem Klavier. Hast du die Töne sauber gesungen? Stimmt der Rhythmus? Nicht im Text verhaspelt? Super.

Dann geht’s weiter mit den nächsten 1-2 Textzeilen.

 

5. Regel: Übersieh nichts, auch wenn es dich scheinbar nichts angeht.

Meredith Colby hat mir letztes Jahr eine überzeugende Pyramide aufgezeichnet.

 

A Cappella Singen Eine Pyramide, in der die 5 Elemente von Musik hierarschisch angeordnet sind.

Sänger, die nur singen, hören – und üben – Musik anders als Sänger, die auch Instrumente spielen.

 

Ein Song besteht aus mehreren Schichten. Ganz unten und elementar ist der Beat. Er hält alles zusammen. Ohne ihn gibt es keinen Song. Darüber folgen der Rhythmus und die Harmonie, die Melodie und schließlich der Text.

Sänger, die nie ein Instrument gelernt haben, hören nur die Schichten „Text“ und „Melodie“. Sie wissen nicht, ob der Song in Dur oder Moll steht, welche Akkorde aufeinander folgen, wie der Rhythmus geht oder welches Grundmetrum zugrunde liegt.

Und damit verschenken sie wahnsinnig viel Potential. Denn jeder Sänger, der wenigstens mal ein halbes Jahr Gitarren- oder Klavierunterricht hatte, weiß, dass die unteren 3 Schichten ebenso wichtig für eine gelungene Performance sind.

 

Übe deshalb auch die unteren 3 Schichten „Harmonie“, „Rhythmus“ und „Beat“.

Achte auf die Harmonie. Du singst zwar solo, trotzdem hat die Terz eines Durakkords eine andere Spannung als die eines Mollakkords. Und eine Septime, die sich zur Oktave wendet, erzeugt eine andere Reibung als eine Quarte, die sich auflöst.

Isoliere den Rhythmus, wenn er Probleme bereitet. Du bist der Einzige, der den Rhythmus bereitsstellt. Sei präzise. Klatsche ihn. Sprich oder sing ihn auf eine Singsilbe. Sprich den Text im Rhythmus.

Bleibe im Beat und im Tempo. Wisse, wann du “on beat” singst, auf den Grundschlag, und wann du “off beat” singst. Merke dir, auf welchen Zählzeiten du einsetzt. Überprüfe dein Tempo, indem du zum Metronom singst.

 

Wenn das Fundament gelegt ist

Nachdem du die Basics des Songs geklärt und trainiert hast, kannst du deine Fähigkeiten auf das nächste Level heben.

  • Trainiere den Song in verschiedenen Tonarten innerhalb deiner Range. Experimentiere, bis du eine gute Lage gefunden hast, in der der Song mit deiner Stimme schwingt und dir leicht fällt. Besonders wichtig ist das, wenn du als Frau einen Männersong oder umgekehrt singst.
  • Übe den Song in verschiedenen Tempi. Finde heraus, wie schnell oder langsam der Song für dich am angenehmsten klingt.
  • Bau dein rhythmisches Gefühl auf. Die Präzision und das Tempo innerhalb des Songs können variieren. Ein Tango schwingt rhythmisch und metrisch anders als ein Popsong oder eine Bluesnummer, eine Ballade anders als ein Uptempo-Song.
  • Integriere alle Ebenen, um deine Gestaltung zu finden. Ich liebe Interpretationen, die sich am Songtext orientieren. Schließlich sind wir Sänger die einzigen Musiker, die diese Ebene bedienen. Gestalte ihn aktiv, um den Song zum Leben zu erwecken. Wenn du von tiefem Schmerz singst, darf das Tempo schon mal schleppen (“Black Coffee”, Ella Fitzgerald). Wenn dir wortwörtlich die Luft wegbleibt, atme tatsächlich für einen Augenblick weder aus noch ein (“Never Enough”, “The Greatest Showman”). Ein freudiger Aufschrei darf laut, hoch und kurz sein (“Walking on sunshine”, Katrina & The Waves).

 

Die A Capella Singen für Solosänger Woche

Wenn ich dich jetzt zum A Cappella Singen angestachelt habe, super. Bleib diese Woche dran, denn jeden Tag wird es einen weiteren Artikel zum Thema geben. Die Links findest du hier unten. Klick einfach auf die Überschriften.

 

A Cappella Gesang ist nichts für Anfänger

Anfänger-Sänger und A Cappella Singen sind keine gute Kombination. Warum das so ist und wie du die 4 wesentlichen Bestandteile des A Capella Gesang trainieren kannst, zeige ich dir hier.

 

45 leichte A Cappella Songs

Du weißt nun, wie du a capella singen lernst. Fehlen nur noch ein paar Lieder, an denen du deine neuen Fähigkeiten trainieren kannst. In diesem Artikel findest du 45 leichte Songs für Einsteiger im A Cappella Singen, bei denen du nur abschnittsweise unbegleitet singst.

 

40 reine A Cappella Songs

Du bist bereit, deinen A Cappella Gesang auszubauen? Dann findest du in diesem Artikel 40 Songs für Solosänger, die du ausschließlich unbegleitet singen kannst.

 

30 A Cappella Songs für Fortschrittene

Alles zu leicht für dich? Dann findest du in diesem Artikel 30 herausfordernde Songs für Experten, die a cappella gesungen werden können.

 

Wie du einen Popsong für A Cappella Singen einrichtest

Ich zeige dir, wie du praktisch jeden Popsong zu einem unbegleiteten Song machen kannst und worauf du dabei achten solltest.

 

Fazit

5 goldene Regeln, die dir helfen, A Cappella Singen zu lernen. So schwer ist es gar nicht.

Wenn dich das Thema A Cappella Singen interessiert, dann schau diese Woche jeden Morgen um 10 Uhr vorbei, denn es ist A Cappella für Solosänger Woche!

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