Die Stimme kippt plötzlich in die Kopfstimme – was du dagegen tun kannst

Heute möchte ich mit dir über ein Thema sprechen, das in der Blogumfrage angesprochen wurde: Meine größte Herausforderung ist, dass meine Stimme manchmal in die Kopfstimme kippt. Warum das passiert und was du dagegen tun kannst, darum geht es in diesem Artikel.

 

Der unkontrollierte Flip in die Kopfstimme kann nerven. Urplötzlich verschwindet dein kraftvoller, lauter Sound und stattdessen klingst du leise und schwach, oder deine Stimme bricht ganz weg. Mit dieser ungewollten Ohnmacht musst du jedoch nicht leben.

Es gibt Möglichkeiten, deine mittleren und hohen Töne zu stärken. Aber lass uns zunächst mal schauen, warum das Kippen in die Kopfstimme überhaupt passiert.

 

Warum macht die Stimme das?

Der plötzliche und ungewollte Klangwechsel ist ein Anzeichen für ein Problem mit den Registern. Wie die Zahnräder einer Uhr arbeiten Kopfstimme und Bruststimme nicht so effektiv zusammen, wie sie könnten.

Häufig passiert das, weil wir die Bruststimme zu hoch einsetzen. Das ist das Register, in dem erwachsene Menschen sprechen und schreien. Beim Singen ist es kraftvoll, tragfähig und laut. Gerade diesen Sound wollen wir ja im Popgesang: durchsetzungsfähig, rotzig, voller Power und möglichst laut.

Kompliziert wird es, wenn wir den Sprechsound eins zu eins fürs Singen übernehmen. Noch eine Spur “höher, weiter, lauter” dazu und schon schreien wir uns die Seele aus dem Leib und meinen, es sei singen.

Dann verlieren wir die Kontrolle über unsere Stimme. Sie macht, was sie will.

 

Wie du das Kippen in die Kopfstimme lösen kannst

Jetzt weißt du also, wo das ungewollte Flippen herkommt. Lass uns nun schauen, wie du das Problem lösen kannst.

Zunächst mal, was solltest du auf gar keinen Fall tun? Drücken. Schieben. Noch mehr Kraft einsetzen. Deine Stimme in die hohe Lage zwingen. Schlimmstenfalls schadest du deiner Stimme damit dauerhaft.

 

Kurzfristige Lösungen

Wenn deine Stimme zum ersten Mal unkontrolliert in die Kopfstimme kippt, oder es nur sehr selten auftritt, kannst du einen der folgenden Tricks aus der Sänger-Werkzeugkiste ausprobieren.

  • Transponier den Song nach unten. Eine tiefere Tonart nimmt den Stress aus den hohen Tönen und damit aus der Stimme. Gleichzeitig ist das der einfachste Quick Fix für dieses Problem.
  • Verändere die Melodie. Falls nach dem Transponieren andere Abschnitte des Songs zu tief sind, darfst du die zu tiefen Töne natürlich anpassen und eine alternative Melodie erfinden. Oder auch, falls du gar nicht transponieren magst, sondern die höhere Tonart bevorzugst, aber trotzdem die Problemtöne beseitigen willst. Dann veränderst du die hohen Töne.
  • Mach dich locker. Achte darauf, dass an den Problemstellen deine Körperhaltung locker gespannt, nicht verspannt ist. Was heißt “locker gespannt”? Aufrecht und angespannt an all den richtigen Stellen, aber nicht verkrampft. Ein häufiges Problem sind dabei die Schultern und der Nacken.
  • Aktivier den Support. Wenn du in der Höhe kraftvoll(er) singen möchtest, muss dein Körper das auch unterstützen. Das tut er insbesondere mit dem Support. Schau, dass der korrekt abläuft und ob du evtl. Löcher hast, wo er plötzlich stehen bleibt oder ganz aussteigt.
  • Bring mehr Kopfstimme rein. Genau der Sound, den du eigentlich vermeiden willst. Soft, weich, leise, sanft. Wie soll das helfen? Ich gebe zu, es ist nicht der Sound, den du willst. Aber es ist der, der dich zeitweise einen Song bewältigen lässt. So lange, bis du mit den unten genannten langfristigen Trainingsmethoden an deinem Mix gearbeitet hast. Wie das geht? Trainiere die Problemstelle mit Lippenflattern oder singe sie durch einen Strohhalm.

 

Langfristige Trainigsmethoden

Auf lange Sicht stößt du mit den kurzfristigen Tricks an Grenzen, die deine Stimme blockieren. Um diese Blockaden zu vermeiden, solltest du auch langfristig an den Registern in deiner Stimme arbeiten.

  • Trainiere die Register. Die Basis für einen guten Mix ist, dass Bruststimme und Kopfstimme auch tatsächlich existieren und funktionieren. Je nachdem, welche Voraussetzungen du mitbringst, wirst du ein Register oder sogar beide aufbauen müssen, wenn du mit dem Singen anfängst.
  • Trainiere deinen Mix. Als fortgeschrittener Sänger kannst du in der Regel gut auf deine Register zugreifen. Du kannst also gleich damit beginnen, den Übergang zwischen ihnen zu üben.
  • Die Arbeit am Belt kann helfen. Es ist aber ein Umweg, der das eigentliche Problem manchmal nicht löst.
  • Trainiere deinen Twang. Diese Resonanzstrategie suggeriert dem Ohr “da ist Kraft in der Stimme” und gibt der Stimme den gewissen Kick. Achtung, sitzt der Twang so richtig, kann es schnell aufdringlich klingen. Nicht jeder Sänger möchte das. Der Twang ist, ähnlich wie das Belting, nur ein Umweg.
  • Arbeite mit einem Vocal Coach. Er kann dir am direktesten sagen, was deine Stimme braucht und welcher Weg für dich der richtige ist.

 

Selbsthilfe

Falls du das Kippen in die Kopfstimme erst einmal selbst bearbeiten willst: In den folgenden Büchern findest du Übungen zur Arbeit am Mix und an den Registern.

 

Die richtige Einstellung finden

Die Art und Weise, wie du denkst, beeinflusst deine Handeln und deine Gefühle. Deshalb profitiert die Arbeit an einem so essentiellen Bereich wie dem Registerübergang von der Beschäftigung mit deinen Gedanken.

Die wichtigste mentale Einstellung ist deine Eigenverantwortung. Es ist deine Stimme. Alles, was mit ihr passiert (oder auch nicht passiert), ist das Resultat deiner Entscheidungen. Du bist für sie und ihre Leistungsfähigkeit verantwortlich.

 

Lass es zu

Ein gewisses Grundwissen über die anatomischen Abläufe in der Stimme erleichtert dir einige Arbeit mit den Registern. So weißt du dann zum Beispiel, dass beide Funktionsarten im Kehlkopf, die die Kopfstimme und Bruststimme hervorrufen, von der Natur so angelegt wurden. Sie sind normal. Sie gehören beide zu deiner Stimme. Wenn du das akzeptierst, bist du einen großen Schritt weiter darin, den schwierigen Registerübergang zu lösen.

Ebenso darfst du anerkennen, dass der Registerübergang niemals weg gehen wird. Er wird immer da sein, weil er eben aus der Funktionsweise der Stimme entsteht. Du kannst mit Gesangstraining aber dafür sorgen, dass er weniger oder gar nicht zu hören ist. Das ist wie Harry Potter mit seinem Tarnumhang. Nur weil die anderen Harry nicht mehr sehen, bedeutet dass nicht, dass er nicht mehr da ist, richtig?

Gleichzeitig darfst du dich darauf einlassen, dass das Kopfregister deine Stimme gesund hält. Deine Stimme braucht nicht nur Kraft, sondern auch Flexibilität. Kennst du Bodybuilder, die vor lauter Muskeln nicht mehr laufen können? Genau das passiert mit deiner Stimme, wenn du nur das Brustregister trainierst. Deine Stimme wird steif und unflexibel. Eher früher als später gehen dir dann die hohen Töne komplett verloren.

 

Schließe Freundschaft

Es gibt Sänger, die sich nicht mit ihrer zarten Kopfstimme anfreunden konnten. Das ist ok, solang es vorübergehend ist. Wie bereits gesagt benötigst du deine Kopfstimme, um deine Stimme gesund zu halten. Aber es ist vollkommen ok, wenn du etwas zeit brauchst, um ihren weichen, zarten Klang zu akzeptieren.

Hab keine Angst. Nicht vor den hohen Tönen an sich, und nicht vor dem Übergang. Je mehr Angst du hast und dich auf das Problem konzentrierst, umso wahrscheinlicher wird es auftauchen. Umso schlimmer wird es. Und umso mehr rückt die Lösung in weite Ferne.

 

Mach dich leichter

Stell dir vor, du möchtest den Mount Everest erklimmen. Was packst du in deinen Rucksack? Eine wetterfeste Jacke, robuste Schuhe, eine Trinkflasche, Karabinerhaken und Seile. Was ist mit deinem Lieblingsroman, dem gepriesenen Spaghettitopf deiner Oma, dem Laptop? Kommen die auch mit? Natürlich nicht!

Wenn du auf den Mount Everest steigst, packst du nur das Nötigste ein und lässt den ganzen Hausstand daheim.

Genau diese Mentalität kannst du auf das Singen in der Höhe anwenden.

Je höher es wird, desto leichter wird dein Rucksack. Umso mehr Dinge lässt du zurück. Auf dem Gipfel brauchst du nur noch deine Kleidung und deine Seile. Je höher es wird, desto weniger Bruststimme verwendest du.

Wo genau du anfängst, die Kopfstimme in den Klang einzumischen, ist eine individuelle Entscheidung. Das besprichst du am besten mit einem Vocal Coach.

 

Fazit

Das Kippen in die Kopfstimme kann ein nerviges Problem sein, vor allem, wenn du keine Kontrolle darüber hast. Doch nun kennst du ein paar kurzfristige und langfristige Strategien, wie du wieder Herr über deine Stimme wirst. Gepaart mit den mentalen Skills wird sich dieses Problem für dich hoffentlich bald in Luft auflösen.

Welche Erfahrungen hast du mit deiner Kopfstimme gemacht? Seid ihr Freunde oder (noch) Feinde?

Du fandest diesen Artikel interessant oder hilfreich? Dann teile ihn!

0 Kommentare

Hinterlasse ein Kommentar

An der Diskussion beteiligen
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert