So kannst du aus einem Buch über Gesang singen lernen

Singen lernen aus einem der zahlreichen Bücher über Gesang, die es auf dem Markt gibt? Das soll gehen? Wie, das möchte ich dir in diesem Artikel zeigen.

 

Vor kurzem habe ich das Buch „So You Want To Sing Rock ’n‘ Roll“ von Matthew Edwards gelesen. In verschiedenen Passagen spricht er darüber, wie du aus einem Buch singen lernen kannst. Ich finde sie so treffend, dass ich mit dir teilen möchte.

 

* Alle Zitate stammen aus: “So You Want to Sing Rock ’n’ Roll – A Guide for Professionals”, Matthew Edward. Rowman & Littlefield; Lanham, Boulder, New York, London; 2014.

Die Markierung in Fettschrift stammen von mir.

 

Sortier die Informationen

Zunächst einmal solltest du dir einen Überblick über die Materialien verschaffen. Du baust ein Haus ja auch erst, wenn du einen Grundriss hast und weißt, welche Baustoffe du brauchst.

 

“Learning to sing from a book is never easy. The exercises […] may or may not make sense to you or work for you. […] I encourage you to first read the whole chapter, take notes, and highlight concepts that stand out to you. After reading the entire chapter, think about the technical difficulties you would like to resolve or goals that you want to achieve and begin working on the exercises that seem best suited to your needs.

aus: “So You Want to Sing Rock ’n’ Roll”, S.85f. *

 

Lass mich das zusammenfassen:

  1. Verschaff dir einen Überblick über die Übungen in dem Buch, aus dem du Gesang lernen willst.
    • Welche Themen werden behandelt?
    • Was sollen die Übungen bewirken?
    • Verstehst du die Anweisungen?
  2. Verschaff dir einen Überblick über deine Stimme.
    • Welche technischen Schwierigkeiten hat sie? Womit hast du Probleme?
    • Welche Ziele verfolgst du? Wo willst du mit deiner Stimme hin?
  3. Wähle die Übungen aus dem Buch aus, die dir am sinnvollsten erscheinen, deine stimmlichen Probleme zu beseitigen oder dich an dein Ziel zu bringen.

 

Deinen Sound darfst du behalten

Weiter schreibt Matthew Edwards:

 

“If you read a section […] and decide that you are already happy with the way you handle those elements vocally, feel free to stop that section. You are a unique individual, and I want you to still sound like yourself after training your voice.

aus: “So You Want to Sing Rock ’n’ Roll”, S.86 *

 

Gesangstraining will dich nicht verbiegen. Es gibt in der Popularmusik, aber besonders in den Rock-Stilen, keine Stimm-Normen, die du erfüllen musst.

Vorsichtig solltest du sein, wenn dir jemand einreden will “So und nicht anders musst du klingen.” bzw. “So und nicht anders wird das gemacht.” Weder im Selbststudium noch bei der Arbeit mit einem Vocal Coach hat eine andere Person das Recht, dich zu einem Klang zu zwingen, den du nicht willst. Es gibt immer mehr als nur einen einzigen Weg oder Sound.

Ich muss an dieser Stelle allerdings anmerken: Wenn es weh tut oder sich deine Stimme verschlechtert, dann solltest du auf konstruktive Kritik hören.

 

Gesangstraining ist ein Werkzeug

Deshalb ist es wichtig, dass du weißt, was du willst. Wenn du dein Ziel – wie du klingen magst – kennst, fällt es dir leichter, die Werkzeuge auszuwählen, die dich dorthin bringen.

 

“If you are new to singing rock, think of these exercises as tools in your toolbox and the resulting tone qualities as new colors on your painting palette. Take what you like and discard what you do not. As long as you can sell it to an audience, and it doesn’t hurt, it is good!”

aus: “So You Want to Sing Rock ’n’ Roll”, S.86 *

 

Die (Gesangs-) Übungen in einem Buch, von dem du singen lernen möchtest, sind deine Werkzeuge. Du darfst sie nach Belieben verwenden, ausprobieren und schauen, was dir nützt. Wenn du für einen bestimmten Sound keine Verwendung hast, dann trainier die Übung nicht.

Nicht jeder Sänger will growlen und grunten und kann damit leben, keine Kontrolle über seine Taschenfalten zu haben. Nicht jeder will Riffs singen können und kann mit einer moderat flexiblen Stimme gut leben. Nicht jeder will Deep Purple singen und braucht daher den extremen Twang nicht.

Anders herum betrachtet geht das natürlich auch: Wenn eine Übung für deine Stimme nicht funktioniert, du aber generell das Ziel der Übung erreichen willst, gibt es andere Übungen, die dich zum gleichen Ziel führen. Was für deine Stimme nicht funktioniert, musst du nicht verwenden.

Ich möchte dich jedoch ermutigen, alle Übungen zumindest auszuprobieren. Du weißt nie, welche Übung eine Verbesserung bringt, bevor du sie nicht getestet hast, denn Singen lernst du in Spiralen, nicht in einer gerade Linie. Wirf Übungen, die für dich nicht funktionieren, nicht gleich komplett über Bord. Manche Übungen sind für Anfänger zu schwer oder befremdlich, weil sie Vorkönnen verlangen. Später, wenn du etwas gefestigter im Umgang mit deiner Stimme bist, kannst du die Übungen nochmal hervorholen und schauen, ob sie dann nicht doch ein wertvolles Tool sind.

 

Üb doch mal wieder

Ich weiß es, du weißt es: Üben hilft.

 

“If you practice daily with these exercises, you are bound to learn something new about your voice. Practice must be regular and diligent. You cannot simply sing in your car and expect results.”

aus: “So You Want to Sing Rock ’n’ Roll”, S.139 *

 

In “So You Want to Sing Rock ’n’ Roll” zeigt Edwards auch Übungen, um detailliert an Aspekten der Stimme zu arbeiten. Gleichzeitig räumt er ein, dass sie dem Leser den Erfolg (einer Rock-Stimme) nicht garantieren können.

Im Selbststudium wirst du aber unweigerlich Dinge über deine Stimme erfahren, die dir vorher nicht bewusst wahren. Du wirst sie besser kennenlernen.

Die Voraussetzung dafür: regelmäßiges und gewissenhaftes Üben. Einfach so im Auto oder in der Küche mitzusingen, bringt dich nicht weiter. Das ist auch die Essenz, die ich dir hier auf dem Blog versuche zu vermitteln. Setz dich intensiv mit deinen Songs und deiner Stimme auseinander. Wende beim Singenüben die Turbo Tipps Üben an. Falls du nicht weißt, wo du anfangen kannst, wirf einen Blick auf die Artikelreihe “Ich weiß nicht, was ich üben soll!”.

Vom Rumdaddeln ist jedenfalls noch niemand gut geworden.

 

Gib dich nicht zufrieden

Zu guter Letzt sollte dir bewusst sein, dass du nie wirklich „fertig“ gelernt haben wirst. Wenn du deine Traumstimme hast, musst du sie in Form halten. Wenn du sie noch nicht hast, darfst du zurück zum ersten Absatz dieses Artikels gehen. Das Lernen hört nie wirklich auf.

 

“Take what you learn from online resources, compare it to what you know to be true and what you experience for yourself, and decide what is worth keeping and what is worth ignoring. … Do you research.”

aus: “So You Want to Sing Rock ’n’ Roll”, S.233 *

 

Also mach deine Hausaufgaben.

Vertrau nicht blindlings den Versprechungen eines Buchs, einer DVD, und ja, vertrau noch nicht mal mir und dem, was du hier auf dem JP-Popgesang Blog liest. Als autodidaktischer Sänger ist es deine Aufgabe, die Fakten zu checken. Und das nicht nur einmal.

Ich weiß, das macht die Aufgabe nicht leichter.

Wenn du “leicht” willst, nimm Gesangsunterricht und lass dir vom Vocal Coach sagen, was richtig und was falsch ist – und bete, dass er Ahnung von den körperlichen, mentalen und emotionalen Abläufen beim Singen und Lernen hat und sein Wissen auch vermitteln kann.

Wenn du keinen Gesangsunterricht willst, dann musst du selbst herausfinden, was richtig ist und was falsch. Dieses Dilemma nimmst du an, wenn du dich für den Weg des Selbststudiums im Gesang entscheidest.

Das gilt übrigens für alle Arten des autodidaktischen Lernens, auch wenn der Autor an dieser Stelle des Buchs von Online-Ressourcen spricht.

 

Fazit

Du kannst aus einem Buch singen lernen. Ein einziges wird da nicht reichen, aber auch ein Haus wird ja nicht mit nur einem einzigen Ziegelstein gebaut. Und genau wie der Bau eines Hauses verlangt das Selbststudium im Gesang deine aktive Mitarbeit. Sortier die Fakten, lass dir in deinen Traum-Sound nur wenig hereinreden, übe regelmäßig und bleib durstig nach Wissen und Verbesserung. Gesangstraining ist ein Werkzeug. Und jeder Künstler hat da so seine eigenen Tricks und Kniffe.

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