Turbo Tipps Üben #11: Songtext üben

In dieser Ausgabe der Turbo Tipps Üben stelle ich dir 4 Methoden vor, mit denen du einen Songtext üben kannst. Und weil du dafür keinen Ton singen musst, geht das auch super in der Mittagspause, in der Straßenbahn oder wenn alle im Haus schon schlafen.

 

Warum einen Songtext üben?

Die Lyrics sind ein wichtiger Baustein in Gesangsstücken. Sie machen den Unterschied zwischen Instrumentalisten und Sängern. Sänger erzählen durch den Text Geschichten.

Wenn du ein wirklich ausgezeichneter Sänger werden willst, musst du jeden Baustein eines Songs isoliert üben. Erst dann wirst du cool bleiben, wenn die anderen Bausteine dazukommen und dich ablenken.

Stupides Lossingen war gesten. Vorhang auf für cleveres Üben.

 

Songtext üben – #1 Den Text vorbereiten

Was gibt’s da schon groß vorzubereiten? Du suchst im Internet den Text eines Songs, findest ihn auf einem Lyric-Portal, druckst ihn aus, fertig. Es ist ganz einfach.

Oder?

Eben nicht.

Auf der einen Seite hast du keine Kontrolle darüber, ob der Text wirklich stimmt. Im Internet darf jeder schreiben, was ihm gefällt. Auch Songtexte. Auf der anderen Seite wird der Text oft wie ein Gedicht dargestellt, Zeile für Zeile in kleinen niedlichen Päckchen. Musik funktioniert so aber nicht.

Songtexte musst du dir einrichten – auf den Song und auf deine Bedürfnisse als Sänger. Mancher will die Lyrics nur als Erinnerungshilfe. Andere können keine Noten lesen und schreiben sich jede Menge Symbole rein. Für wiederum Andere sieht die Schrift in Größe 10px aus einem Meter Entfernung aus wie Ameisen auf dem Waldboden.

 

Um Songtexte vorzubereiten, machst du folgendes:

 

1. Schreibe den Text in einem Textverarbeitungsprogramm auf.

Oder kopier ihn aus dem Lyric-Portal.

Falls du keinen Computer hast, kannst du ihn auch von Hand abschreiben. Aber das macht die nächsten Schritte aufwändiger.

 

2. Stelle den Text so um, dass er den musikalischen Phrasen folgt.

„Your Song“ von Elton John zum Beispiel würde dann nicht so aussehen:

I’m not one of those

Who can easily hide.

Don’t have much money

But boy if I did

I’d buy a big house

Where we both could live.

 

Sondern so:

I’m not one of those who can

Easily hide.

Don’t have much money but

Boy if I did

I’d buy a big house where

We both could live.

 

Statt den Text in viele kleine Zeilen aufzuteilen und somit ein fünfseitiges Dokument zu erstellen, kannst du auch zwei Phrasen in eine Zeile schreiben und sie optisch mit viel weißem Platz trennen. Am Beispiel von „In the wee small hours of the morning“ schaut das so aus:

Songtext üben Texteinteilung nach Takten

Textblatt mit Einteilung des Textes nach Takten

 

3. Falls du nicht weiß, wann welches Wort kommt und wo die Eins im Takt ist, schreibe den Songtext taktweise auf.

  1. Spiele den Song in Anytune oder Amazing Slow Downer langsamer ab. Ich empfehle dir mindestens 20% langsamer. Bei schnellen Uptempo-Songs auch bis zu 50% langsamer.
  2. Klatsche den Beat mit.
  3. Merke dir, auf welches Wort die Eins des Taktes kommt.
  4. Markiere diese Stelle im Text mit einem senkrechten Strich (siehe Foto unten). Wenn du direkt am Computer arbeitest, benutze einfach die Enter-Taste und jede 1 des Taktes wird zu einer neuen Zeile.
  5. Auch dieses x-seitige Dokument kannst du verbessern, indem du zwei Takte pro Zeile anordnest und mit viel weißem Platz optisch von einander trennst (siehe voriges Foto).

 

Songtext üben Text einteilen mit Taktstrichen

Textblatt mit Taktstrichen

 

4. Überprüfe den Text anhand des Songs.

Hör dir den Song an und überprüfe, ob dein Textblatt die korrekten Wörter enthält.

Falls du nicht hinterher kommst, spiele den Song in Anytune oder Amazing Slow Downer langsamer ab. Ich lasse Songs meist mit nur 75% Geschwindigkeit ablaufen, um alles zu erwischen.

 

5. Wähle eine Schrift, die du aus der Entfernung noch lesen kannst.

Ich empfehle dir 14px bis 16px als Schriftgröße. Die Schriftart sollte schnörkellos und ohne Serifen sein – z.B. Arial, Geneva oder Helvetica.

 

6. Speichere das Dokument ab!

Wenn du später Veränderungen vornehmen willst und alles nochmal abschreiben musst, wirst du dich ärgern. Außerdem hält dich diese zusätzliche Arbeit davon ab, die Modifikationen wirklich vorzunehmen. Mach es dir einfach.

 

Songtext üben – #2 Den Text laut sprechen

Nach den Vorbereitungen kannst du doch direkt loslegen mit Singen, oder?

Nicht sofort! Zunächst solltest du dich mit dem Songtext vertraut machen. Lies den Text laut vor.

Verschaffe dir einen Überblick über die Story. Worum geht es? Wer macht was wann und mit wem? Wer fühlt sich wie? Mit diesen Fragen kommt man schnell in die Interpretation eines Songs. Für’s Erste: Lenk dich nicht ab, indem du über das Warum nachdenkst. Kläre einfach nur die Geschichte.

Wenn komplizierte Wörter in den Lyrics vorkommen, schlage die Aussprache in einem Wörterbuch nach. Fremde Vokabeln solltest du natürlich übersetzen und gleich die Aussprache checken, damit du wirklich weißt, worum es im Song geht.

Lies den Text immer wieder laut vor, bis du ohne Stocken vom Anfang bis zum Ende durchkommst.

 

Songtext üben – #3 Den Text im Rhythmus sprechen

Aber jetzt geht’s ans Singen? Leider immer noch nicht.

Du musst unbedingt wissen, wie der Text im Rhythmus klingt. Das ist wie Singen, nur ohne Töne.

 

Achte auf ein paar Dinge:

  • Wie lang sprichst du die Vokale? Extrem kurz, extrem lang, irgendwas dazwischen? Und wie lang sprichst du sie, wenn du einen langen Ton singst? Deine Vokale müssen immer so lang sein, wie auch die Töne. „Amazing Grace“ singst du ja auch „a-maaaaaaa-ziiiing graaaaace“ – also sprich es auch so.
  • Wie exakt sprichst du die Konsonanten? Im Dialekt werden sie oft sehr weich, so dass aus „Platte“ plötzlich „bladde“ wird. Till Lindemann von Rammstein spricht sie sehr deutlich, richtig perkussiv aus. Im Französischen sind sie dagegen sehr weich.
  • Was geschieht mit den Endsilben? Zum Beispiel „-en“ in „morgen“. Der E-Vokal ist kein typisches E, sondern ein sehr dumpfes Ä. Trotzdem kann ein Ton darauf klingen. Also mach bitte nicht „morgn“ draus.
  • Wo sind die betonten Silben? Damit meine ich nicht die Wortbetonung, sondern die musikalische Betonung. In „Read all about it“ von Emeli Sandé heißt es in der ersten Strophe „You’ve spent a lifetime stuck in silence, afraid you’ll say something wrong.“ Die unterstrichenen Silben fallen direkt auf die Zählzeiten. Und dir fällt auf, dass es eigentlich „a-fraid“ heißen müsste, im Song aber „a-fraid“ gesungen wird. Solche Betonungen sind Stolperfallen!
  • Wie ist der Sinnzusammenhang? Elton John schert sich eher wenig darum. Siehe oben in #1 am Beispiel von „Your Song“. Frage dich also, ob Text und Musik immer Hand in Hand gehen. Manchmal läuft die Musik über das Komma, den Punkt, das Sinnende drüber und endet erst danach. Dadurch verschiebt sich das Gewicht des Textes. Eine weitere Stolperfalle, die du mit der „im Rhythmus sprechen“-Method ausbügelst.
  • Wo sind die Atemstellen? Versuche auch beim Sprechen im Rhythmus möglichst an genau den Stellen zu atmen, an denen du auch später im Song atmen willst. Markiere dir diese Stellen – das Gehirn ist ein Meister darin, solche Details zu vergessen.

 

Es ist sinnvoll, anfangs in einem langsameren Tempo zu sprechen. Damit verhinderst du, dass du nicht hinterher kommst. Wie das geht, erkläre ich in den „Turbo Tipps Üben 4 Langsam singen üben“.

 

Songtext üben – #4 Wie macht’s der Künstler?

Die vierte Methode ist eine reine Höraufgabe. Hör dir den Song an von dem Künstler, der dich am meisten inspiriert.

Wie behandelt der Künstler den Text? Manche Sänger dehnen die Vokale stark (Celine Dion), andere singen eher abgehackt mit ultrakurzen Vokalen (Udo Lindenberg).

 

Falls du dir gar nichts darunter vorstellen kannst, hör in dieses Video rein. Die Sängerin Christina Bianco ist eine bekannte Stimm-Imitatorin in den USA und hat „Total Eclipse of the Heart“ mal in verschiedenen Stimmen nachgesungen. Der Unterschied zwischen Shakira und Judy Garland wird dir sofort auffallen – anhand der Aussprache.

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Willst – und wichtiger noch: kannst – du das genauso machen wie der Künstler? Du musst „Halt mich“ von Herbert Grönemeyer nicht so abgehackt singen. Der Song klingt auch mit längeren Vokalen und mehr Legato klasse, wie Julia Zipprick hier beweist.

 

Zusammenfassung

Wie du siehst, musst du nicht immer singen, um den Text zu üben. Bearbeite diesen Baustein des Songs separat. Erstelle dein individuelles Textblatt, das genau auf deine Bedürfnisse als Sänger zugeschnitten ist. Sprich den Text laut. Trainiere den Text im Rhythmus der Melodie. Und hör dir an, wie der Künstler oder auch verschiedene Künstler den Text behandeln.

Durch diese intensive Beschäftigung mit dem Text wird dein Song automatisch besser klingen. Versprochen!

 

Mit welchen Methoden hast du bisher am Text gearbeitet? Teile deine Erfahrungen unten in den Kommentaren.

 


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