Wie du deine Stimme pflegen kannst

Wie Sänger ihre Stimme pflegen können. Mund, der lächelt

Lass uns weiter darüber reden, wie du deine Stimme pflegen kannst. In diesem zweiten Teil der Stimmhygiene – Serie dreht sich alles um die Stimme selbst. Darum, mit welchen Gewohnheiten du einen direkt Einfluss auf deine Stimme nehmen und sie pflegen kannst.

Den ersten Teil der Stimmpflege – Serie findest du hier.

 

Was ist Stimmpflege?

Eine sinnvolle Definition kann lauten:

Stimmpflege, auch Stimmhygiene genannt, umfasst alle Maßnahmen, um die Stimme und den dazugehörigen Sänger gesund zu halten. 

 

Es ist wichtig, die Balance zu halten – auf allen Ebenen (körperlich, mental und emotional).

Dieses angestrebte Gleichgewicht ist individuell verschieden. Jeder Sänger bringt andere Voraussetzungen und Bedürfnisse mit. Das führt dazu, dass Stimmpflege Tipps nicht für jeden Sänger gleich gut funktionieren.

Die richtige Stimmpflege ist also eine individuelle Angelegenheit. Trau dich, Experte für deine Stimme und ihre Pflege zu werden. Probiere Verschiedenes aus und beobachte, welchen Effekt es auf deinen Gesang hat.

 

Die Stimme pflegen im Speziellen

In der Stimmpflege gibt es neben den allgemeinen Weisheiten, die ich dir im ersten Teil der Serie genannt habe, noch eine Reihe spezifischer Verhaltensweisen, die deine Stimme pflegen.

  • Singe dich ein. Ein Warm-Up ist der beste Weg, um stimmlichen Überlastungen vorzubeugen. Wenn du dir nicht sicher bist, wie das geht, dann findest du in der Artikelserie zum Einsingen und in den Artikeln „Einsingen am Morgen“ und „9 Tips zum Einsingen mit Erkältung“ wertvolle Hinweise.
  • Vergiss den Körper beim Einsingen nicht. Genüssliches Dehnen und herzhaftes Gähnen sorgen für einen Spannungsausgleich im gesamten Körper. Besonders die Schulter-Nacken-Region sollte locker sein, da sie in direkter Nachbarschaft zum Kehlkopf liegt. Das funktioniert auch super zwischendurch.
  • Mach ein Cool-Down. Bring nach einer intensiven Phase der Stimmbenutzung, z.B. einem Auftritt oder einer langen Präsentation, die Stimme wieder in die Entspannung. Entspannende Seufzer, lockeres Summen und leise Ws über deinen Tonumfang sind mögliche Übungen, um deine Stimme zu pflegen. Alternativ kannst du auch durch einen Strohhalm singen oder durch einen Lax Vox-Schlauch in eine Wasserflasche blubbern.
  • Eigne dir eine gute Gesangstechnik an. Sie kann kleinere Unannehmlichkeiten ausgleichen. Dazu zählt auch, dass du zu deiner Stimme stehst. Versuche nicht, einen Künstler nachzuahmen, der in einer anderen Vocal Range ganz anderes Repertoire mit anderer Technik singt. Du bist einzigartig. Zeig es!
  • Vermeide es, dich ständig zu räuspern. Räuspern ist wie das Aneinanderreiben zweier Sandpapiere. Es trägt auf traumatische Weise sämtlichen Schleim von den Stimmbändern ab. Diese melden dem Gehirn „Kein Schleimschutz mehr!“ und der Körper produziert Schleim nach. Ein Teufelskreis entsteht.
  • Vermeide Flüstern. Es ist ein Märchen, dass Flüstern die Stimme schont. Fakt ist: Es strengt die Stimme genauso an wie normales Sprechen. Durch die geringe Lautstärke wirst du jedoch häufig nicht verstanden und wendest Druck an, um lauter zu flüstern. Zudem trocknet die Schleimhaut im Kehlkopf stark aus. Ergo: Mit Flüstern strengst du den Stimmapparat mehr an als mit normalem Sprechen in leiser Lautstärke.
  • Singe vor einem Auftritt nicht zu viel. Ein Soundcheck ist ok. Das Durchsingen des kompletten Programms einschließlich aller Fortissimos? Not so much. Wenn du unbedingt vorher noch proben willst, singe mit halber Kraft und Lautstärke.
  • Wenn’s im Hals kratzt, lutsche stimmschonende Lutschtabletten. Sänger haben häufig Isla Moos, ipalat oder GeloRevoice im Gepäck. Diese Produkte gegen geringfügiges Halskitzeln erhältst du rezeptfrei in der Apotheke oder Drogerie. Normale Hustenbonbons solltest du aufgrund der austrocknenden Inhaltsstoffe (Salbei, Kamille, Eukalyptus, Pfefferminze) auf wirkliche Erkältungen beschränken – dort ist die austrocknende Wirkung auf die Schleimhaut gewollt, um die Infektion schnell auszumerzen. Gleiches gilt für Medikamente, die die Schleimhaut lokal betäuben (zum Beispiel Neoangin): für Erkältungen only.
  • Höre auf deinen Körper. Die Warnsignale deines Körpers gelten auch für deinen Hals. Wenn sich deine Stimme kratzig, heiser oder erschöpft anhört, gönn dir eine Ruhepause. In amerikanischen Publikationen zum Thema habe ich häufig die Empfehlung gelesen, für 120 Minuten Redezeit jeweils 10 Minuten Pause mit Stimmruhe einzulegen. Die Diplom-Sängerin und Musiktherapeutin Tina Hörhold hat für dich 3 Arten der Pause zusammengefasst. Wenn die heisere oder raue Stimme über Wochen anhält, lass dich von einem HNO-Arzt oder Phoniater untersuchen. Die Singstimme ist eine Verlängerung deiner Sprechstimme und deren Gewohnheiten. Wenn du deine Sprechstimme überstrapazierst, leidet deine Singstimme darunter. Wenn du Reflux hast, lass ihn behandeln. Die Magensäure verätzt die Schleimhaut auf den Stimmlippen. Dies führt zu einem rauen Stimmklang und macht die Stimmlippen anfällig für weitere Probleme.
  • Meide Lebensmittel, die einen negativen Effekt auf die Schleimhaut im Mund-Rachen-Bereich haben. Die Schleimhaut sollte weder ausgetrocknet werden, noch soll zusätzlicher Schleim produziert werden. Häufige Kandidaten für ein Ungleichgewicht sind Laktose (unter anderem in Milch, Käse, Joghurt, Quark, Speiseeis, auch als Milchpulver in Produkten wie Schokolade enthalten), Tannine (unter anderem im Tee, Wein und Kaffee) und scharfe Gewürze. Die Liste der genauen Lebensmittel ist individuell. Nicht jeder Sänger verspürt bei jedem Inhaltsstoff eine Wirkung oder empfindet sie als störend. Beobachte die Reaktionen deines Körpers genau, um eventuellen „Stimmfeinden“ auf die Spur zu kommen.
    1. Laktose legt einen schützenden Film über die Schleimhaut. Dadurch entsteht ein Gefühl der Blockade. Die Stimme schließt nicht mehr vollständig und kann keinen klaren Ton mehr produzieren.
    2. Tannine, auch Gerbstoffe genannt, trocknen die Schleimhaut aus. Diese sind unter anderem in schwarzem und grünem Tee, in Wein und Kaffe sowie in der Hagebutte enthalten. Zudem wirken Kamille, Eukalyptus (Inhaltsstoff: Menthol), Salbei und Hibiskus austrocknend.
    3. Scharfe Gewürze können Aufstoßen und Reflux auslösen, die ihrerseits geschwollene Stimmbänder und häufiges Räuspern nach sich ziehen.
  • Sing in deiner Vocal Range. Die Stimme pflegen geht am einfachsten mit diesem Tipp: Wähle die Tonarten deiner Songs so aus, dass sie zu deiner Vocal Range passen und du dich wohl fühlst. Wenn du längere Zeit in extremen Lage singen musst, wird deine Stimme überbeansprucht. Stimmschäden sind vorprogrammiert.
  • Sorge regelmäßig für Ruhe. In lauter Umgebung fangen wir automatisch an, gegen den Störschall anzusprechen und kassieren am nächsten Tag die Quittung dafür. Umgebungslärm und Dauerberieselung stören deine auditive Kontrolle, weshalb du lauter und in höherer Tonlage sprichst (Lombard-Effekt). Hinzu kommt, dass du schlechter einschätzen kannst, wie sehr du deine Stimme beanspruchst. All das führt dazu, dass die Stimme schneller ermüdet als gewöhnlich.
  • Sorge für gutes Monitoring. Dies geht Hand in Hand mit der gerade angesprochenen Dauerberieselung. Auch eine schlechte Platzierung der Monitorboxen auf der Bühne und falsches Setup kann dafür sorgen, dass du deine Stimme überanstrengst und am Tag nach dem Konzert heiser bist. Das geschieht beim Singen bereits nach 20 bis 30 Minuten. In Situationen mit schlechtem Feedback habe ich schon ganze Konzerte mit einem Ohrstöpsel in einem Ohr gesungen, um mich selbst besser zu hören.
  • Höre deinem Gegenüber zu, wenn du einen Frosch im Hals spürst. Eine schlechte Gesangs- oder Sprechtechnik deiner Mitmenschen kann bewirken, dass du dich selbst verspannst und die schlechten Gewohnheiten desjenigen imitierst. Möglich machen das die Spiegelneuronen im Gehirn. Bewusstes Gähnen und Lockern der Hals-Schulter-Partie kann Abhilfe schaffen.

 

Fazit

Es geht um deine Stimme. Deine Lebensführung hat einen direkten Einfluss auf deine stimmliche Leistung. Achte deshalb gut auf sie!

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6 Kommentare
  1. Katherine Fischer sagte:

    Mein Onkel hat mich letztens zum Thema Stimmpflege etwas gefragt, aber ich wusste darüber nichts. Deswegen bin ich echt froh, dass ich diesen Beitrag gefunden habe. Das ist ein guter Tipp, in diesem Fall eine Untersuchung beim HNO-Arzt durchführen zu lassen. Nächstes Mal, wenn ich ihn sehe, kann ich ihm erzählen, was ich hier gelesen habe.

    Antworten
  2. Carsten sagte:

    Hi Jessica, vielen herzlichen Dank für Deinen super differenzierten und detailreichen Beitrag. Ich bin Dozent und singe nicht, aber meine Stimme macht sich wegen meines langen Sprechens bemerkbar. Unter Deinen Tipps habe ich einiges gefunden, was mich anspricht, es gleich zu übernehmen oder auszuprobieren. Super :-)

    Antworten
  3. Fährfrau_2022 sagte:

    Liebe Jessica,
    ein toller Artikel zum Thema Stimmpflege – auch für Profi Sänger und Sängerinnen super geeignet. Zukünftig kann man vor einem Auftritt als Hochzeitssängerin deine Tipps in punkto Laktose ausprobieren – in jedem Fall sehr praxisnah und auch das Warm-up wird oft unterschätzt oder „vergessen“ :)
    Was sind denn deine Erfahrung bei der Einnahme von Milchprodukten?

    Antworten
    • Jessica Pawlitzki sagte:

      Hallo Fährfrau,
      es freut mich, dass der Artikel dir geholfen hat.
      Bei Milchprodukten reagiert jeder Sänger und jede Sängerin unterschiedlich. Ich kenne Kollegen, denen macht es gar nichts aus und andere, die schon auf die Milch in einem Stückchen Schokolade mit Schleim bzw. dem Gefühl der belegten Stimme reagieren. Ich selbst liege in der Mitte. Obwohl ich generell Milchprodukte vertrage, merke ich doch nach jedem Käsebrötchen, dass meine Stimme ein wenig belegt ist und manche Töne einen extra Anlauf brauchen. Je nachdem, wie viel Zeit zwischen dem Milchprodukt und dem Singen liegen, beeinträchtigt es mich also mal stärker, mal schwächer. An Auftrittstagen verzichte ich daher komplett darauf.
      Viel Erfolg beim Ausprobieren! Ich würde mich freuen, wenn du berichtest :)
      LG Jessica

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