Mit Erkältung singen – ja oder nein?

Weiter geht es mit dem Thema Stimmpflege. Heute möchte ich die Frage klären, ob es gut ist, mit Erkältung zu singen. Letztlich kann ich niemanden abhalten, mit einer dicken Erkältung und 40° Fieber den Gesangsunterricht, die Bandprobe oder den Auftritt zu absolvieren. Trotzdem versuche ich, über die Risiken und Folgen dieses Schritts aufzuklären und zeige dir, wie du mit einer beginnenden Erkältung umgehen kannst.

 

Hinweis: Dieser Artikel stellt lediglich meine Meinung als Gesangslehrerin und Sängerin dar und sollte als solcher verstanden werden. Bei medizinischen Fragen wende dich an den Arzt deines Vertrauens.

 

Solltest du mit Erkältung singen?

Im Herbst und Winter ist das die Gretchenfrage. Sollst du oder sollst du nicht? Dieses Problem lässt sich mit drei einfachen Fragen lösen.

  1. Sitzt die Erkältung über dem Hals?
  2. Sitzt die Erkältung im Hals oder darunter?
  3. Hast oder vermutest du eine Kehlkopfentzündung?

 

1. Sitzt die Erkältung über dem Hals?

Die Symptome einer solchen leichten Erkältung sind unter anderem Schnupfen, Kopfschmerzen oder ein Druckgefühl in den Nasennebenhöhlen.

In diesem Fall ist das Singen meistens ok. Es wird sich nicht super anfühlen, aber du wirst deiner Stimme sehr wahrscheinlich nicht schaden, wenn du nicht zu viel Muskelkraft einsetzt.

 

2. Sitzt die Erkältung im Hals oder darunter?

Die Krankheitssymptome dafür sind unter anderem Schluckbeschwerden, Halsschmerzen, Schmerzen beim Singen und/oder Sprechen, Husten, Schmerzen oder ein Gefühl der Enge in der Brust (das vom Husten kommt), Heiserkeit und Fieber.

In diesem Fall solltest du Singen vermeiden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind die Stimmbänder bereits betroffen, weil die Erkältung entweder direkt im Hals sitzt oder bereits in die Bronchien gewandert ist.

 

3. Hast oder vermutest du eine Kehlkopfentzündung?

Wurdest du von deinem Arzt mit einer Kehlkopfentzündung diagnostiziert oder vermutest du eine, dann solltest du unbedingt Stimmruhe einhalten. Singe auf keinen Fall! Die Entzündung sitzt bei einer Kehlkopfentzündung direkt im Kehlkopf und auf den Stimmbändern. Wenn du jetzt singst, reizt du deine Stimmbänder und riskierst Verschlimmerungen und eine verzögerte Heilung.

Die Symptome für eine Kehlkopfentzündung sind unter anderem eine tonlose oder tiefer klingende Stimme, wiederholtes spontanes Versagen der Stimme, Heiserkeit und Halsschmerzen.

 

Mit Erkältung singen oder nicht singen – der kleine Unterschied

Ich habe selbst schon mit einer dicken Erkältung gesungen. Ich wollte die sieben Unterrichtsstunden nicht absagen – das Honorar hatte ich fest eingeplant. Also hab ich mich hingeschleppt. Meine Handtasche glich einem Arztkoffer: Tee, Wasser, Taschentücher, Lutschtabletten.

Während des Unterrichtens habe ich mich von Anfang an schlecht gefühlt. Es wurde natürlich nicht besser. Ich konnte meine Stimme nicht schonen, so sehr ich auch mit Handzeichen arbeitete und nur sang, wenn die Kids absolut ruhig waren – schließlich war ich die Lehrerin und das Stimmvorbild. Nach nur drei Unterrichtsstunden hatte ich keine Stimme mehr und musste den restlichen Unterricht absagen. Die nächsten zwei Tage hatte ich keine Stimme – nicht einmal Summen ging noch. Eine weitere Woche lag ich heiser und mit Fieber im Bett.

Und ehrlich, das war es nicht wert. Ich hatte nicht nur eine kaputte Stimme, was mich psychisch belastete. Zusätzlich hatte ich den mentalen Stress mit der Organisation und der Begründung, warum ich so plötzlich mitten im Unterrichtstag absage, und körperlichen Stress durch die Krankheit.

Für den Preis hätte ich besser gleich zuhause bleiben sollen.

 

Letztlich muss jeder Sänger für sich selbst die Verantwortung übernehmen.

Sei ganz ehrlich mit dir selbst, wie stark deine Erkältung ist. Etwas schön zu reden oder dich von anderen breitschlagen zu lassen, doch zu singen (weil wir doch alle nette Musiker sind), bringt nichts. Denn du bist dann der Leidtragende.

 

„Indispositionen gehören zum Alltag jedes professionell stimmlich Tätigen wie die Dornen zu der Rose: Sie sind nicht erwünscht, aber unvermeidlich. Entscheidend ist es, ein Körpergefühl dafür zu entwickeln, wann man mit der Stimme arbeiten kann und wann man lieber schweigen sollte.“ (aus: Bernhard Richter. Die Stimme. Grundlagen, Künstlerische Praxis, Gesunderhaltung. Henschel 2013).

 

Auf der anderen Seite musst du auch lernen, wie sich Singen anfühlt, wenn du nicht einhundertprozentig fit bist. Wegen Kopfschmerzen oder leichtem Halskratzen aufgrund der zu kalt eingestellten Klimaanlage sollte niemand eine Gesangsstunde oder Bandprobe absagen. Denn: Wenn du dies nicht durchziehst, wie verhältst du dich, wenn du vor einem Auftritt plötzlich eine Schniefnase hast?

Der Unterschied liegt darin, zu erkennen, ob du nur ein bisschen angeschlagen bist oder wirklich krank.

Rotzkranke Sänger will kein Publikum sehen und hören. Das schadet deinem Ruf und du steckst womöglich noch alle an. Deine Gesundheit muss bei einer ernsthaften Erkrankung immer vorgehen – du hast nur diese eine Stimme! Dich jedoch gleich in Watte einzupacken, ist nicht immer nötig.

 

Was du tun kannst bei einer aufkommenden Erkältung

Manchmal spielt uns das Leben einen Streich. Eine Erkältung ist im Anflug, aber so richtig schlimm ist es noch nicht und der Gig ist zu wichtig oder gut bezahlt, um ihn sausen zu lassen. Doch was kannst du tun, um mit einer Erkältung singen zu können?

Zuerst einmal, beachte die Alarmzeichen deine Körpers. Ruhe dich aus. Wenn dein Körper danach verlangt, braucht er den Schlaf auch.

Geh zum Arzt. Wenn die Symptome sich nach 3 Tagen nicht gebessert oder sogar verschlimmert haben, solltest du die professionelle Hilfe eines Arztes in Anspruch nehmen. Sprich mit ihm ab, ob Singen bzw. ein Auftritt für dich machbar ist. Kuriere die Erkältung auch aus so gut es geht. Bekämpfe zumindest die Symptome oder, besser noch, die Ursache.

Sage nicht-lebenswichtige Termine ab. Der Besuch bei der Schwiegermutter kann warten.

Wichtiger noch, bleib positiv. Lass dich von anderen Erkälteten nicht herunterziehen. Fang dir nicht deren Bakterien und vor allem deren Negativität ein.

Schränke dein Sprechen und Singen ein. Schone deine Stimme für die wichtigen Angelegenheiten. Vermeide jedoch auf jeden Fall zu flüstern, denn es ist für die Stimmbänder anstrengender als normales Sprechen. Wenn du unbedingt sprechen oder singen musst, (a) benutze ein Mikrofon, um deinen Klang zu verstärken. (b) Spreche oder singe nur, wenn dein Publikum ruhig ist. (c) Geh es ruhig an. Forciere nichts und erwarte keine besondere Lautstärke und Kraft.

 

Weiteres zum Singen mit Erkältung

  • Gesangslehrerin Ina Hagenau klärt hier, wie du die Stimme bei einer Erkältung ökonomisch einsetzt.
  • Sängerin und Gesangslehrerin Alicja Gulcz klärt hier auf, was Schnupfen ist und wie du ihn wirksam und schnell bekämpfen kannst.
  • Gesangslehrer Thomas Grube sensibilisiert hier für das Thema Sänger und Medikamente.
  • Studiomusiker Ian Robinson gibt dir hier 8 Tipps, wenn du trotz Erkältung einen Auftritt bestreiten willst.
  • Das Modern Singer Magazine nennt hier vier einfache Dos und Don’ts (englisch).
  • Sängerin und Gesangslehrerin Sylvia Lee gibt die hier 9 Tipps zur Stimmpflege bei Erkältung.
  • Die Musikschulwelt erklärt hier den Zusammenhang zwischen Psyche und Erkältung.
  • Gesangslehrerinnen Ina und Astrid Hagenau verraten hier 5 Tipps gegen Erkältungen, inkl. Rezept für selbstgemachte Ingwertee.

 

Fazit

Drei kurze Fragen helfen dir bei der Entscheidung, ob du mit einer Erkältung singen sollst oder besser nicht. Ausschlaggebend dafür ist, ob es sich nur um eine kleine Unpässlichkeit oder eine dicke Krankheit handelt.

Danach habe ich einige Tipps gegeben, was du bei einer aufkommenden Erkältung beachten solltest, wenn du trotzdem singen willst.

Zum Schluss wünsche ich dir gute Besserung und schnelle Genesung!

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