Mund oder Nase? Wie du richtig einatmest
Als du angefangen hast zu singen, hast du viel Neues gelernt – Töne treffen, eine Melodie lernen, atmen … Moment mal, Atmen? Das muss man lernen? Ja, denn beim Singen läuft das anders ab als beim Sprechen. Eine Sache wird dabei oft vergessen: durch den Mund oder durch die Nase? Das hole ich heute nach.
Welche Rollen spielen Mund und Nase beim Atmen?
Ob du singst oder sprichst: der lebensnotwendige Sauerstoff muss in den Körper gelangen. Mund und Nase sind dabei nur der Kanal und haben keine weitere Funktion beim Atemprozess.
Das bedeutet, Mundatmung und Nasenatmung sind keine Atemformen wie die Schlüsselbeinatmung, die Bauchatmung oder die kombinierte Bauch-Flanken-Atmung. Bitte nicht den Messenger mit der Botschaft verwechseln!
Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum die Frage „Mund oder Nase?“ in der einschlägigen Fachliteratur komplett unbeachtet ist.
In der Praxis des Singens und Unterrichtens wird mir die Frage „Mund oder Nase?“ aber so regelmäßig gestellt – bisher ausschließlich von Anfängern und in den ersten 5 Unterrichtsstunden – dass ich dir hier eine Antwort geben möchte.
Durch die Nase atmen – Pro und Contra
Das Einatmen durch die Nase hat einige Vorteile, vor allem mit Blick auf die Gesunderhaltung und Pflege der Stimme.
- Die Atemluft wird von Schadstoffen gereinigt.
- Die Atemluft wird befeuchtet.
- Die Atemluft wird angewärmt.
Die Nasenatmung ist vor allem bei kalten Temperaturen wichtig und bei unreiner Luft, zum Beispiel bei Feinstaubbelastung, Smog oder in der Nähe von großen Baustellen.
Die Nachteile des Einatmens durch die Nase werden häufig erst deutlich, wenn du singst. Beim Sprechen fällt es weniger auf.
- Das Einatmen durch die Nase führt sehr häufig zu der für das Singen ungünstigen Hochatmung.
- Eine Folge der Hochatmung ist, dass nur der obere Bereich der Lungen mit Luft gefüllt wird. Dadurch hast du weniger Kapazität für lange Phrasen und weniger Kontrolle über den Ausatemstrom.
- Geräuschloses Einatmen dauert länger.
- Wenn es schnell gehen muss, ist geräuschloses Atmen durch die Nase praktisch unmöglich.
- Das Einatmen dauert länger.
Durch den Mund atmen – Pro und Contra
Manche empfinden sie als unangenehm. Anderes schwören drauf: die Mundatmung. Die Vorteile beim Singen liegen auf der Hand:
- Das Einatmen kann sehr schnell stattfinden.
- Das Einatmen durch den Mund begünstigt die für das Singen hilfreiche Bauchatmung und Bauch-Flanken-Atmung.
- Die Chance, wirklich lautlos einzuatmen, ist höher.
- Die Mundatmung weitet Mund und Rachen, was deine Aussprache und Resonanz verbessert.
- Das Einatmen kann den Kehlkopf senken. Das macht den Sound wärmer und dunkler.
Das lautlose Einatmen ist im Popgesang nicht zwingend notwendig. Im klassischen Gesang ist es dagegen ein Muss.
Von Klassiksängern kannst du dir auch eine gute Idee klauen: Das Publikum will nicht wissen, wie schwer dir etwas fällt. Zerstöre nicht ihre Illusion, indem du laut durchs Mikrofon röchelst.
Die Weitung des Mundraums, die durch das Einatmen durch den Mund geschieht, hat natürlich Nachteile.
- Du bist nicht vor Schadstoffen in der Luft geschützt.
- Die Mundschleimhaut trocknet aus.
- Du hast das Gefühl, mehr trinken oder dich räuspern zu müssen.
Mund oder Nase – was ist nun richtig im Gesang?
Wie du siehst, haben das Einatmen durch die Nase und durch den Mund Vor- und Nachteile. Beim Singen ist das Atmen nur ein Mittel zum Zweck. Die Atemluft ist das Benzin, dass deinen Stimm-Motor zum Laufen bringt. Du musst also abwägen, was dir wichtiger ist.
Die meisten Sänger atmen beim Singen durch den Mund oder auch durch Mund und Nase gleichzeitig. Es erfüllt gleich mehrere Zwecke:
- Du kannst dabei deine Atemvorräte sehr schnell auffüllen.
- In dieser kurzen Zeit ist die Mundatmung die einzige, die geräuschlos abläuft. (Wenn du es nicht glaubst, versuch mal durch die Nase schnell und lautlos einzuatmen.)
- Du weitest dabei die Mundhöhle. Das bereitet die großen Resonanzräume Rachen und Mund optimal darauf vor, deinen Sound zu verstärken. Ganz nebenbei lockerst du dabei deinen Unterkiefer.
Fazit
Die Antwort auf die Frage „durch den Mund oder durch die Nase atmen?“ ist eine persönliche Entscheidung. Beide Möglichkeiten haben ihren Vorteile und Nachteile. Für das Singen hat das Atmen durch den Mund entscheidende Vorteile. Häufig benutzen Sänger auch Mund und Nase gleichzeitig während des Einatmens. Auf jeden Fall kannst du deine ganz persönliche Entscheidung treffen, denn jetzt kennst du alle Fakten.
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Ich habe durch meine Allergie manchmal Schwierigkeiten durch meine Nase zu atmen. Interessant war hier zu lesen, dass die Atemluft von Schadstoffen gereinigt wird, wenn man durch die Nase atmet. Ich werde demnächst zu einem HNO-Arzt gehen, um Weiteres zu erfahren.
Hallo Daniel, die leichte Reinigung erledigen die Flimmerhärchen in der Nase. Die können natürlich nur dann richtig arbeiten, wenn die Schleimhäute der Nase nicht übermäßig angeschwollen sind (was bei Allergien ja gern mal geschieht). Nasenatmung bei einem Allergieschub ist also ein Balanceakt und manchmal gewinnt einfach der Körper. Viel Erfolg beim HNO! Viele Grüße, Jessica
bin hier gelandet, weil ich gerade das buch „breath“ von James Nestor lese und ich nach 5 Tagen reiner Nasenatmung einfach nicht mehr durch den Mund einatmen will, fühlt sich plötzlich richtig ekelig an. Allerdings Scheiter ich beim Singen daran, genug Luft durch die Nase zu bekommen. Vor allem bei schnellen Phrasen und schnell gesprochenen Texten ist das quasi unmöglich.
Ich hatte gehofft hier ein Geheimrezept und eine Lösung zu finden :D
danke für die Zusammenfassung!
Gern, Samuel. (Und danke für den Lesetipp. Das Buch kenne ich noch nicht.) LG Jessica