Das richtige Mikrofon finden – ein Guide für Sänger

Mikrofone sind für viele Sänger ein Buch mit 7 Siegeln. Wie findest du das richtige Mikrofon, das zu dir passt? Nach den Mikrofontests der letzten Woche, kläre ich heute diese Schülerfrage.

Ich würde mich freuen, wenn ihr am Ende des Artikels in einem Kommentar erzählt, welche Erfahrungen ihr mit dem Mikrofonkaufen gemacht habt.

 

 

Das richtige Mikrofon ist nochmal welches?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten.

 

Das richtige Mikrofon passt zu deiner Stimme und deinen Ansprüchen.

 

Es gibt kein Mikrofon, das zu jedem Sänger passt. Kein Mikrofon ist Standard oder ist garantiert immer die richtige Wahl.

Jeder Sänger bevorzugt einen anderen Klang. Der Eine will seinen Klang modifizieren, der Nächste will gerade das vermeiden. Der Dritte will besonders kraftvoll rüberkommen und die Vierte will ihrer Stimme mehr Zartheit auf den Weg mitgeben.

Das richtige Mikrofon auszuwählen kann sich wie ein Sechser im Lotto anfühlen. Es verlängert nicht nur deinen Sound, so dass du auch mit einer leisen Stimme bis in die letzte Reihe gehört wirst. Du wirst dich mit dem Klang, den es hervorruft, pudelwohl fühlen.

Die Auswahl ist so entscheidend wie die Frage, ob sich dein Gitarrist ein Instrument von Gibson oder von Fender kaufen soll.

Es ist immer eine individuelle und subjektive Wahl.

 

Drei Fragen, die du dir stellen solltest

  1. Wofür möchtest du das Mikrofon verwenden?
  2. Wie möchtest du klingen?
  3. Welches Budget hast du?

Diese Fragen geben dir eine Richtung vor und begrenzen die unübersichtliche Auswahl erheblich.

 

Frage 1: Wofür möchtest du das Mikrofon verwenden?

Es gibt grundsätzlich 2 Aufgabengebiete von Mikrofonen: live auf der Bühne oder im Studio für Tonaufnahmen. Diese Haupteinsatzgebiete entscheiden, welche Bauart dein Mikro haben sollte und welche Richtcharakteristik.

Ein dynamisches Mikrofon nimmt den Schall anders auf als ein Kondensatormikrofon. Grob gesagt, ein dynamisches Mikrofon ist sehr robust gebaut und eignet sich gut für Live-Situationen. Die Bauart eines Kondensatormikrofon ist empfindlicher, weswegen es sich eher für Tonaufnahmen im Studio eignet.

Die Richtcharakteristik entscheidet, aus welcher Richtung der Schall primär aufgenommen wird. Eine Kugelform nimmt aus jeder Richtung auf und eignet sich eher für Aufnahmen im Studio – auf der Bühne würde sonst auch jedes Geräusch vom Publikum in den Lautsprechern landen. Niere, Hyperniere und Superniere machen sich dagegen gut im Live-Einsatz.

 

Frage 2: Wie möchtest du klingen?

Soll dein Klang so naturgetreu wie möglich übertragen werden? Brauchst du etwas mehr Wärme in den tiefen Lagen, damit es voller klingt? Mehr Durchsetzungskraft und Druck in der Mitte? Oder weniger Brillanz in der Höhe, damit die Stimme nicht so schrill klingt?

Diese Vorstellungen machen es auch so wichtig, dein Mikrofon selbst auszusuchen. Ein Blindkauf ist nicht nur ärgerlich, sondern auch enttäuschend. Niemand kennt deine Stimme und deine Wünsche so gut wie du!

Das richtige Mikrofon ergänzt deinen Klang und gleicht ihn aus. Es sollte deine gesanglichen Schwächen keinesfalls betonen oder deine Stärken unter den Teppich kehren.

 

Frage 3: Welches Budget hast du?

Das ist bei unerfahrenen Sängern häufig das Auswahlkriterium Nummer Eins.

Leider.

Ich halte es hier mit dem berühmten Sprichwort „Good things ain’t cheap, and cheap things ain’t good.“ Was eine gute Qualität hat, ist nicht billig, und was billig ist, ist nicht gut.

Wer sich allein vom (möglichst niedrigen) Preis verlocken lässt, kauft meistens schlechte Qualität und bereut seinen Kauf früher oder später.

Gute Einsteigermikrofone gibt es bereits ab 70-100 Euro. Zum Beispiel das Røde M1 für 89,- Euro UVP und das Shure SM 58 für 109,- Euro UVP.

Unter 70 Euro ist es pures Glück, ob du mit dem Billigmikro zufrieden bist.

Nach oben sind natürlich keine Grenzen offen.

 

Die Kandidaten auf Her(t)z und Membran testen

Nachdem du diese drei Fragen für dich beantwortet hast, geht der Spaß los: das Testen.

Mikrofontests geben dir die Möglichkeit, die Auswahl noch weiter einzuschränken. Deshalb ist es auch sinnvoll, mehr als ein Mikrofon auszuprobieren. Falls du ein bestimmtes Mic ins Auge gefasst hast, teste es auch gegen dein Aktuelles.

Das kannst du zum Beispiel mit befreundeten Sängern oder Musikern tun, die mehr als ein Mikro besitzen.

Unter Umständen kann dir dein Gesangslehrer weiterhelfen. Ich stelle meinen Schülern meine Sammlung zum Testen zur Verfügung.

Manche Musikgeschäfte bieten auch den Service einer Mikrofonbar. Dort kannst du in einem abgetrennten Raum in aller Ruhe die Mikrofone aus ihrem Sortiment testen.

 

Falls du unsicher bist, ob sich das Testen und Ausprobieren verschiedener Mikrofone wirklich lohnt, hör in diese Aufnahmen rein:

 

Shure SM 58 Testaufnahme:

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von soundcloud.com zu laden.

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Røde M1 Testaufnahme:

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Sennheiser e945 Testaufnahme:

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In allen Beispielen hörst du mich mit dem Song „Walk On By“ von Dionne Warwick. Aufgenommen in derselben Tonart mit identischen Recording Settings und absolut keinen Filtern oder Effekten. Und heraus kamen drei unterschiedliche Klänge, allein aufgrund der unterschiedlichen Mikrofone.

 

Vergleiche die Testkandidaten mit einem zusätzlichen Paar Ohren. Nimm zum Testen einen befreundeten Musiker mit, dessen Ohren feine Unterschiede wahrnehmen können.

 

Halte beim Testen das Mikrofon, als würde es auf einem Mikrofonständer ruhen. Der Mund sollte 2-3cm Abstand zum Mikrofon halten. Wenn du vor Scheu in den Mikrofonkorb beißt, löst du den Nahbesprechungseffekt aus. Dann klingt deine Stimme sehr basslastig und kräftig, was aber nicht deiner tatsächlichen Stimme und der tatsächlichen Leistung des Mikrofons entspricht.

 

Achte auf dein Bauchgefühl. Du musst dich mit deinem Mikrofon wohlfühlen. Es muss ein Teil von dir werden. Wenn dir als gefällt, was du hörst, ist es das richtige Mikrofon für dich.

 

Ein Blick auf den Frequenzgang kann bei der Auswahl helfen. Das Frequenzdatenblatt ist mit Sicherheit nicht das Nonplusultra, aber es kann Antworten geben, wenn dir beim Testen etwas am Klang auffällt.

Der Frage, ob sich am Frequenzgang ablesen lässt, wie ein Mic klingt, sind Neumann und Shure nachgegangen.

 

Fazit

Es ist keine Raketenwissenschaft, das richtige Mikrofon zu finden. Mithilfe von drei konkreten Fragen kommst du deinem Wunsch näher. Dann heißt es: testen, testen und nochmals testen.

Welche Erfahrungen hast du beim Mikrofonkauf gemacht?

Schreib mir doch einen Kommentar unter diesen Artikel und erzähl von deinen Erlebnissen :)

 


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2 Kommentare
  1. Christian sagte:

    Hey,
    ich bin zwar kein Anfänger mehr, habe mir deinen Artikel aber dennoch gern durchgelesen.
    Ich bin nunmehr seit 6 Jahren Sänger einer Rock/Metal/Alternative Band und nun, nach unterzeichnung des ersten Plattenvertrags der Planung der ersten richtigen Tour etc., wird es nun Zeit für das erste gute Mittelklasse Model.
    Angefangen habe ich Standardmäßig mit der Eier-legenden-Woll-Milch-Sau, dem Shure SM 58.

    Nun schwanke ich zwischen dem Shure Super 55 Deluxe
    und dem
    Sennheiser e945

    Ein Besuch im Musikfachmarkt meines Vertrauens soll dann diese Woche die Erleuchtung bringen…ich denke aber das es auf das Sennheiser hinauslaufen wird weil ich, durch den integrierten Popschutz des Shure, nicht sicher bin ob die Laut-Leise Dynamik die ich für unsere Songs dringend brauche vorhanden ist…genauso wie das allgemeine Problem mit der Rückkopplung, Ich weiß das Super 55 hat Superniere, doch ob das alle Probleme behebt?.. Aber nur versuch macht klug…

    Keep on rocking in a free world!

    Antworten
    • Jessica Pawlitzki sagte:

      Hey Christian,

      hab vielen Dank für deinen Kommentar. Zunächst mal, herzlichen Glückwunsch zum Plattenvertrag! Geil! Ich freu mich für dich.

      Zum Mikrofon: Versuch macht kluch, wie du richtig erkannt hast. Teste die 2 auf jeden Fall im Store an. Vielleicht hat deine Band ja Connections zu anderen Bands, die zufälligerweise das Super55 haben? Dann könntest du das, auch wenn du dich fürs e945 entscheidest, nochmal genauer testen. Es schadet sicher nicht, 2-3 Mics in petto zu haben, die du nach Bedarf verwendest. Mein Koffer beinhaltet mittlerweile 7 Mics, von denen 2 meine absoluten Favorites sind. Der Rest ist nice to have oder wenn einer meiner Schüler mal was testen will.

      Ich würde mich über deine Meinung sehr freuen. Berichte :)

      Viel Spaß beim Ausprobieren!

      Antworten

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