Einsingen – So geht es!

Einsingen ist ein gut gehütetes Geheimnis unter Sängern. Ab und an fällt das Wort im Gespräch oder dein Gesangslehrer ermahnt dich, es nicht ausfallen zu lassen. Doch was ist Einsingen? Wie funktioniert es und was solltest du dabei beachten?

 

Was ist Einsingen?

Einsingen ist das Lockern und Aufwärmen der Muskeln in Körper und Stimme in Vorbereitung auf das Singen.

Singen ist ein hochkomplexer Vorgang. Die Muskeln leisten dabei Millimeter-Arbeit in Bruchteilen von Sekunden. Ein so stark vernetztes System wie die Stimme muss also aufgewärmt werden, um keinen Schaden zu nehmen.

 

Was nützt dir Einsingen?

Ein Satz: Einsingen macht dich leistungsfähig!

Es wärmt die Muskeln deiner Stimme und deines Körpers auf, so dass sie effektiv funktionieren und Höchstleistungen erbringen können.

Es ist wie im Sport.

Kein ernstzunehmender Sportler verzichtet auf sein Aufwärmen, egal ob er anschließend „nur“ Training hat oder einen Wettbewerb.

Das Einsingen bietet dir große Vorteile:

  • Bereitet die Stimme auf die Anforderungen des Singens vor.
  • Verhindert Heiserkeit und rasche Ermüdung.
  • Beugt Schädigungen am und im Kehlkopf vor.
  • Mindert die Verletzungsgefahr.
  • Beugt stimmlichen Problemen und Überlastung vor.
  • Dient der Pflege und Gesunderhaltung der Stimme.
  • Stimmt Körper und Geist auf das bevorstehende Singen ein.
  • Gibt dir Zeit, dich zu konzentrieren und mental vorzubereiten.
  • Bringt Kreislauf und Atmung in Schwung.
  • Macht den Körper geschmeidig und flexibel.
  • Gibt dir Zeit, deine Tagesverfassung zu erkennen und dich darauf einzustellen.
  • Stellt ein ausgeglichenes Instrument her.

Vor allem bewirkt ein gutes Warm Up, dass du mit mehr Freiheit und Kontrolle singen kannst.

Es nimmt dir die Angst, weil du typische Problemstellen schon vor dem eigentlichen Singen aus dem Weg räumst. Deine Stimme klingt gleichmäßiger und hat einen größeren Umfang als bei einem „Kaltstart“.

 

Wie singst du dich ein?

Die Übungen, die du während des Einsingens machst, sind nicht wild durcheinander gewürfelt. Sie bauen auf einander auf und dienen alle einem bestimmten Zweck.

 

Im ersten Schritt bereitest du Körper und Atmung auf das Singen vor.

Lockere und dehne zunächst deinen Körper. Lockerungsübungen eignen sich nicht nur am Anfang des Einsingens, sondern auch zwischendurch, z.B. wenn du merkst, dass du dich wieder verspannst.

Auch Übungen, die den Kreislauf in Schwung bringen und Übungen, die dich entspannen, funktionieren ausgezeichnet.

Nun ist deine Atmung dran. Sie wird vertieft zur Bauch- oder Abdominal-Atmung. Aktiviere auch deinen Support.

 

Geeignete Übungen dazu findest du hier.

 

Im zweiten Schritt wärmst du deine Stimme auf.

Wenn dein Körper ausreichend vorbereitet ist, folgt im zweiten Schritt das eigentliche Einsingen. Es hat einen vierfachen Nutzen:

  • Die Stimmlippen werden gedehnt, durchblutet und aufgewärmt.
  • Der Rachen wird geweitet und elastisch gemacht. Dadurch kannst du ohne Verkrampfungen singen.
  • Die Resonanzräume werden geöffnet, so dass dein Gesang klangvoller klingt.
  • Die Artikulationswerkzeuge werden gelockert, so dass du deutlich sprechen kannst.

In meiner Tätigkeit als Gesangslehrerin hat sich das Einsingen als effizient erwiesen, wenn ich mit Summ- und Konsonantübungen zuerst nur die Stimmlippen-Tätigkeit wecke.

Erst danach fange ich an, auf Vokale und einfache Singesilben singen zu lassen.

 

Geeignete Übungen dazu findest du hier.

 

Tipps zum Einsingen

Jetzt weißt du, welche Kriterien ein Einsingen typischerweise erfüllt. Abgesehen davon gibt es noch einige wertvolle Tipps, die dir das Warm Up vereinfachen können.

 

Wann solltest du dich einsingen?

Diese Frage ist leicht zu beantworten: Singe dich vor jedem Singen ein!

  • vor jeder Übe-Einheit
  • vor jeder Bandprobe
  • vor jeder Gesangsstunde
  • vor jedem Auftritt oder Konzert

Auch wenn du nur wenig Zeit hast, wärme deine Stimme immer auf!

Damit leistest du deiner Stimme eine Wohltat, die sie dir mit Ausdauer, Leichtigkeit und tollem Klang belohnt. Und mal ehrlich, wenn du toll klingst, macht das Singen einfach mehr Spaß!

Ein Beispiel aus der Praxis:

Ich kenne einen Chor, in dem das Einsingen oft ausfällt. Die Begründung: Es ist so wenig Zeit und wir haben so viel zu tun! Also geht’s im Kaltstart an die Stücke.

Nach einer halben Stunde wird eine hohe Stelle geprobt – 20, 30 Minuten lang. Und, oh Wunder, die will einfach nicht gut klingen.

Anschließend tut den Sängern der Hals weh. Die Stimme ist rau und heiser und für den Rest der Chorprobe fehlt die Kraft.

Der Chorleiter hat also in der kurzen Zeit nicht nur sein Ziel nicht erreicht, sondern sogar unproduktiv geprobt. Und die Sänger gehen mit einem schlechten Gefühl im Hals nach Hause.

So etwas ist eine Lose-Lose-Situation. Unter diesen Bedingungen macht Singen keinen Spaß.

 

Wie lang sollte das Einsingen dauern?

Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wie alt bist du? Auf welchem Niveau singst du? Zu welchem Zweck singst du dich ein?

Meine Erfahrungen als Sängerin und Gesangslehrerin zeigen, dass ein Einsingen mindestens 5 Minuten dauern sollte. Das macht 2-3 Minuten für Körper und Atmung und 2-3 Minuten für die Stimme.

Wenn möglich, dehne ich das Einsingen auf 10-15 Minuten aus. Dann bearbeite ich je nach Tagesform manche Bausteine mehrfach mit verschiedenen Übungen und zu verschiedenen Zeitpunkten während des Warm Up.

Aber auch 20 Minuten können sich für dich toll anfühlen. Wenn dein letztes Singen länger her ist, kannst du diese Zeit nutzen, um auch deinen Geist wieder auf Gesang auszurichten. 

Probiere also aus, was sich für dich gut anfühlt. Wenn du nach dem Einsingen das Gefühl hast, deine Songs bewältigen zu können, ist das ein gutes Zeichen.

 

Wo solltest du dich einsingen?

Das ist die leichteste Frage und zugleich die schwierigste.

Das Einsingen sollte an einem ruhigen, ungestörten Ort stattfinden, an dem du dich wohlfühlst und dich konzentrieren kannst.

Wähle einen Ort aus, an dem du dich allein und ohne Ablenkung einsingen kannst. Achte auf ausreichend Platz, um dich frei bewegen zu können. Außerdem sollte es dort still sein, damit du dich gut hörst.

 

Ein paar Tipps

  • Bitte einen Gesangslehrer um Hilfe, wenn du nicht weißt, welche Übungen für deine Stimme und deinen aktuellen Kenntnisstand sinnvoll sind. Die Übungen sollen dich fordern, aber nicht überfordern. Selbst wenn du für eine solche Beratung ein wenig Geld ausgeben muss: Die Gesundheit deiner Stimme sollte es dir Wert sein.
  • Variiere dein Einsingen je nach Kenntnisstand. Als Sänger musst du selbst herausfinden, was deine Stimme braucht und was ihr gut tut. Ein starres Einsing-Programm ist ein solider Start, sollte aber nicht ewig und stur befolgt werden. Mit der Zeit findest du deine Lieblingsübungen.
    Als Anfänger-Sänger wird es dir leichter fallen, wenn dein Einsingen aus den immer gleichen Übungen besteht und du es mehrere Wochen unverändert anwendest. Dabei kannst du ganz objektiv beobachten, wie deine Stimme auf die Übungen reagiert und kannst sie an deine körperlichen und stimmlichen Bedürfnisse anpassen.
    Fortgeschrittene Sänger stellen sich ihr Einsingen individuell zusammen. Aufgrund ihrer Erfahrungen im Umgang mit ihrer Stimme wissen sie genau, was diese braucht.
  • Arbeite sanft an deiner Stimme. Gib nicht gleich alles und fordere nicht zu viel auf einmal. Das heißt: Starte in einer bequemen Lage im mittleren Tonumfang und geh nur kurz in die Extremlagen deines Stimmumfangs. Singe im Mezzoforte, um deine Stimme geschmeidig zu machen und sie nicht zu überanstrengen. Beginne im langsamen Tempo. In kaltem Zustand sind die Muskeln nur bedingt in der Lage, sich für schnelle Tonwechsel zu koordinieren.
  • Forciere nichts. Die Stimme sollte von allein kommen – das gilt besonders in der höhe und Tiefe. Das Einsingen soll der Stimme noch keine Höchstleistungen abverlangen.
  • Bleib locker. Nicht nur deine Stimme sollte locker schwingen können, auch dein Körper. Beides hängt von einander ab. Vergiss also nicht, auch deinen Körper und deine Atmung locker und entspannt zu halten.
  • Achte auf den Klang. Hör hin, wie deine Töne klingen und ob sie dir gefallen.
  • Achte auf deine Tagesverfassung. Dein Körper ist jeden Tag ein bisschen anders drauf. Achte darauf, wie leicht oder schwer dir deine Standardübungen fallen.
  • Singe musikalisch. Das Einsingen besteht aus technischen Übungen, aber die müssen nicht langweilig sein. Etwas Dynamik und Spaß bei Zungenbrechern schult dein Bewusstsein auf diese kleinen Dinge, die auch aus deinen Liedern wahre Zauberwerke machen.

 

Weitere Artikel

Zahlreiche Gesangslehrer auf den ganze Welt haben schon über das Einsingen geschrieben. Hier verlinke ich auf die vier informativsten Artikel.

3 Gründe, die für das Einsingen sprechen von Stimmtrainerin Dorothea Schmidt.

In 4 Schritten effektiv einsingen – CCM-Gesangslehrerin Jeanne LoVetri zeigt, wie es geht. (Artikel auf englisch)

Stimmtrainerin Dorothea Schmidt gibt dir 5 Tipps für ein effektives Einsingen.

Die britische Gesangslehrerin Jenevora Williams erklärt, was wir Sänger erreichen wollen, wenn wir uns einsingen. (pdf auf englisch)

 

Fazit

Wie du siehst ist Einsingen kinderleicht und dauert nicht lang.

Dabei tut es gleichzeitig deiner Stimme sehr wohl, und garantiert dir einen langen Erfolg als Sänger.

Zum Schluss möchte ich von dir wissen:

Was ist dein Rezept für’s Einsingen? Was bringt deine Stimme auf Touren und funktioniert für dich?

 


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2 Kommentare
  1. Markus Hauptmann sagte:

    Guten Tag und:
    Vielen lieben Dank für die ansrepchende und schöne Darstellung auf Ihrer Site
    jp-popgesang.de

    Herzliche Grüße aus dem Rheinland.

    Antworten

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