15 Warm Up Übungen für Körper und Atmung

Im letzten Artikel sprach ich über das Einsingen ganz allgemein. Heute geht es um die Praxis. Genauer gesagt stelle ich in diesem Artikel 15 praktische Übungen vor, mit denen du deinen Körper und deine Atmung im Warm Up für das Singen vorbereiten kannst.

 

Warum Warm Up-Übungen für Körper und Atem?

Wenn du den Begriff Einsingen liest, denkst du sicher an die typischen „Du du du du du“s und „Jaaa“s.

Warum also solltest du deinen Körper aufwärmen, wenn du doch singen willst?

Deine Stimme sitzt in deinem Körper. Ist dein Körper verspannt, hört man das deiner Stimme an. Das ist wie eine Gitarre mit verbogenem Griffbrett. Selbst wenn du den Konstruktionsfehler nicht siehst, du wirst ihn hören. Diese Gitarre wird nicht so klingen, wie Gitarren normalerweise klingen.

 

Körperübungen und Atemübungen wirken vorbeugend, wenn du sie in dein Einsingen einbaust.

Sie haben zahlreiche Vorteile:

  • Du verbesserst deine Haltung.
  • Du richtest deine Atmung optimal für das Singen ein.
  • Du bringst deinen Kreislauf in Schwung.
  • Du bist wacher und fitter.
  • Du verbesserst die Sauerstoffversorgung in deinem Körper.
  • Du entspannst dich.
  • Du stimmst dich auf das Singen ein.

Ich führe alle Übungen, die du hier liest, seit Jahren erfolgreich mit Sängern durch. Sie sind also erprobt und bewährt.

Tipp: Falls du noch keine Erfahrungen mit Warm Up-Übungen zu Beginn des Einsingens hast, wähle aus jedem der unten stehenden Bereiche ein bis zwei Übungen für dein Einsingen aus.

 

Hinweis: Die hier dargestellten Übungen basieren auf meinen eigenen Erfahrungen. Wenn du bei der Ausübung Schmerzen hast oder dich unwohl fühlst, ziehe einen Arzt zu Rate.

Bei allen Dehnübungen gilt: Dehne immer nur so weit, wie es sich angenehm anfühlt. Das Warm Up ist kein Wettbewerb – weder mit anderen Sängern, noch mit dir selbst!

 

5 Warm Up Übungen für Körper und Atem

Diese fünf Übungen vereinen körperliche Bewegungen mit der Arbeit an deiner Atmung. Falls du Probleme damit hast, dich auf beides gleichzeitig zu konzentrieren, übe zunächst die isolierten Übungen weiter unten.

Warm Up Übung 1: Oh, Mann!
Diese Übung baut Stress ab, entspannt die Wirbelsäule und richtet den Körper auf. Sie stammt aus dem Buch „Die Praxis der chorischen Stimmbildung“ von Kurt Hofbauer.

 Stelle dich mit schulterbreit geöffneten Füßen hin und atme tief ein. Mit dem Ausatmen (und optional einem lauten Seufzer) lasse den Oberkörper nach vorn fallen. Arme, Schultern und Kopf hängen locker. Genieße die Dehnung des Rückens und warte ab, bis dein Körper von sich aus wieder Luft holen will.

Atme ein mit der Vorstellung, rechts und links der Wirbelsäule verlaufen zwei Röhren, die sich mit Luft füllen. Sie richten den Oberkörper in ruhiger Bewegung auf, bis er wieder aufrecht auf dem Becken ruht.

 

Warm Up Übung 2: Wasserpflanze im Ozean
Diese Übung richtet den gesamten Körper aufrecht aus und entspannt den Geist.

Stelle dich mit schulterbreit geöffneten Füßen hin und stelle dir vor, an deinen Füßen kleben Saugnäpfe, wie bei einem Tintenfisch. Mit den Saugnäpfen saugst du dich am Boden fest. Während der gesamten Übung sind die Fußsohlen fest an den Boden geklebt. Die Knie sind locker.

Stelle dir vor, du bist eine Wasserpflanze im großen Ozean. Die Meeresströmung bewegt dicht nach rechts und links und du wiegst dich mit ihr. Atme ruhig und tief ein und aus. Wiege dich nur soweit, dass deine Saugnapf-Füße fest am Boden kleben bleiben und du das Gleichgewicht behältst.

Die Strömung ändert ihre Richtung und bewegt dich jetzt nach vorn und zurück. Atme ruhig und tief ein und aus. Die Saugnapf-Füße halten dich am Boden, während du dich hin- und herwiegst.

Die Strömung ändert sich erneut. Jetzt bildet sie einen kleinen Strudel, der dich in großen Kreisen im Kreis bewegst. Atme ruhig und tief ein und aus und lass die Fußsohlen am Boden kleben. Das Meer wird immer ruhiger und deine Kreise werden kleiner, bis du schließlich nur noch in Gedanken kreist.

Verharre einen Augenblick in dieser zentrierten, aufgerichteten Position.

 

Warm Up Übung 3: Mein Kopf ist so schwer!
Diese Übung lockert die Nacken- und Halsmuskeln. Sie stammt aus „Die Praxis der chorischen Stimmbildung“.

Stelle dir vor, dein Kopf ist so flexibel wie der einer Marionette. Lasse den Kopf mit dem Ausatmen auf das Brustbein fallen. Warte ab, bis dein Körper selbständig einatmen will und spüre dabei, wie sich die Muskeln im Nacken entspannen. Atme mit offenem Mund ein, hebe den Kopf und lasse ihn in den Nacken fallen. Hebe mit der Ausatmung den Kopf und lasse ihn wieder auf das Brustbein fallen. Wiederhole dies einige Male.

 

Warm Up Übung 4: Das Lasso schwingen
Mit dieser Übung verbindest du Körperbewegung und Atem zu einer Einheit. Sie stammt aus „Die Praxis der chorischen Stimmbildung“.

Stelle dich leicht gegrätscht hin, ein Bein versetzt vor das andere. Hebe den rechten Arm und lasse ihn weit kreisen, als würdest du ein Lasso schwingen. Atme dabei ein. Schwinge das Lasso nach vorn, als würdest du etwas damit fangen, und atme kräftig aus. Beim Zurückziehen des Lasso atme ein. Die Beine wippen im Rhythmus mit.

 

Warm Up Übung 5: Seitwärtsdehnung
Diese Übung dehnt die Zwischenrippenmuskulatur und vertieft die Atmung.

Stelle dich mit schulterbreit geöffneten Füßen hin und strecke den rechten Arm nach oben. Lege die linke Hand auf die rechte Rippenhälfte. Beuge nun den Oberkörper nach links und spüre, wie sich die Muskeln zwischen den Rippen dehnen. Atme in dieser Position ein paar Mal ein und spüre, wie sich die Rippen dabei ausdehnen. Richte den Oberkörper wieder auf und senke den Arm. – Wiederhole die Übung mit dem linken Arm.

 

5 Warm Up Übungen für den Körper

Diese fünf Übungen lockern und dehnen den gesamten Körper und bringen den Kreislauf in Schwung.

Körperübung 1: Äpfel pflücken
Mit dieser Übung dehnst du die Rumpfmuskulatur.

Stelle dich mit schulterbreit geöffneten Füßen hin und hebe beide Arme. Strecke sie in den Himmel, stelle dich auf die Zehenspitzen und greife nach imaginären Äpfeln. Pflücke sie von den hohen Ästen.

 

Körperübung 2: Der Hampelmann
Diese Übung kennt wohl jeder. Sie bringt deinen Kreislauf auf Trab.

Starte mit geschlossenen Beinen und gestreckten Armen. Springe mit einem Satz so, dass sich deine Beine und Arme zur Seite öffnen, wie der Buchstabe X. Springe wieder zurück zur Mitte und klatsche in die Hände. Mache diese Übung eine Minute lang.

 

Körperübung 3: Drei Unwetter
Diese Übung funktioniert mit drei unterschiedlichen Vorstellungen, wobei die Bewegungsfolge dieselbe ist. Suche dir eine aus oder führe alle drei nacheinander aus. Sie lockert den gesamten Körper und fördert die Durchblutung.

Stell dir vor, du gerätst beim Sonntagsspaziergang in einen Schneesturm. Als du zuhause ankommst, bist du von der Mütze bis zu den Schuhen mit weißen Flocken bedeckt. So kannst du natürlich nicht ins Haus gehen! Beuge den Oberkörper vor und beginne an den Schuhen und Knöcheln, den Schnee mit kräftigem Klatschen von deinen Beinen zu klopfen. Nun von Hüfte und Po. Dann die Arme von den Händen bis zu den Schultern – erst den rechten, dann den linken. Zum Schluss auch den Kopf.

Die gleiche Reihenfolge funktioniert auch mit der Vorstellung, Regentropfen oder nassen Sand abzustreifen.

 

Körperübung 4: Halbkreise mit dem Kopf
Diese Übung dehnt die Hals- und Nackenmuskulatur. Dein Kopf beschreibt dabei einen Halbkreis von einer Schulter über das Brustbein zur anderen Schulter. WICHTIG: Kreise auf keinen Fall den Kopf um 360 Grad. Dies überstreckt die Muskeln an der Seite und der Vorderseite des Halses.

Senke den Kopf auf das Brustbein ab. Drehe den Kopf langsam zur rechten Schulter, schaue schräg nach oben über die Schulter und spüre, wie sich dabei dein Nacken dehnt. Führe den Kopf wieder zur Mitte des Brustbeins zurück und führe die Übung zur linken Seite aus.

 

Körperübung 5: Windmühlen
Diese Übung lockert deine Schultermuskulatur und regt den Kreislauf leicht an.

Lasse die Schultern wie träge Windmühlen gemeinsam ein paar Mal nach vorn kreisen. Spüre, wie sich der obere Rücken dabei streckt und der Oberkörper in sich zusammensinkt. Die Arme bleiben dabei hängen. Führe die Übung nach hinten aus und spüre dabei, wie sich dein Körper aufrichtet und der Brustkorb streckt.

 

5 Warm Up Übungen für die Atmung

Diese fünf Übungen ermöglichen es, dir deiner Atmung bewusst zu werden, sie zu vertiefen und deinen Support zu aktivieren.

Atemübung 1: Bauchatmung spüren
Mit dieser Übung spürst du, wie die Bauchatmung funktioniert und kannst dich darauf zurückbesinnen.

Lege eine Hand auf den Bauch, etwas unterhalb des Nabels. Atme während des Einatmens in die Hand hinein. Dein Bauch wölbt sich nach außen. Atme aus. Dein Bauch zieht sich nach innen, Richtung Wirbelsäule. Atme eine Minute lang mit dieser Atmung und behalte sie während des Singens bei.

 

Atemübung 2: Windrad anpusten
Diese Übung aktiviert den Support.

Stelle dir vor, du hast ein Windrad in der Hand, dass du an einem windstillen Tag antreiben möchtest. Atme ein und auf „sss“ lange aus. Atme so aus, dass das „sss“ ganz gleichmäßig klingt. Das Windrad dreht sich nun.

 

Atemübung 3: Rose und Feder
Mit dieser Übung vertiefst du die Atmung.

Stelle dir vor, du würdest an einer Rose schnuppern. Führe sie dicht an deine Nase und atme in drei kurzen Zügen ein. Spüre dabei, wie sich dein Bauch und deine Rippen dehnen.

Atme anschließend in drei kurzen Stößen auf „fff“ wieder aus. Stelle dir vor, du würdest eine nasse Feder wegpusten.

 

Atemübung 4: PTK für das Zwerchfell
Diese Übung aktiviert die Elastizität des Zwerchfells, so dass du es später schnell entspannen und viel Luft in wenig Zeit einatmen kannst.

Atme ein und sprich „p“. Dabei bewegt sich dein Bauch schlagartig nach innen und löst sich sofort wieder. Stelle dir diesen Impuls vor, als wäre dein Zwerchfell ein vollgesogener Schwamm, den du kurz zusammendrückst und wieder loslässt. Er springt sofort in seine ursprüngliche Form zurück.

Sprich mit starken Impulsen mehrmals hintereinander „p“, „t“ und „k“. Bei jedem Buchstaben wird der Schwamm kurz zusammengedrückt und dann wieder entspannt.

 

Atemübung 5: Eine Kerze ausblasen
Diese Übung fördert ebenfalls die Elastizität des Zwerchfells. Sie stammt aus dem Buch „Handbuch der Kinderstimmbildung“ von Andreas Mohr.

Stelle dir vor, du würdest mit einem einzigen Zwerchfell-Impuls (siehe vorherige Atemübung) eine Kerze auspusten. Atme ein, stelle dir die Kerze vor und atme kurz und kräftig auf „fff“ aus. Entspanne sofort wieder das Zwerchfell und lasse den Atem einströmen. Wiederhole die Übung mit der Vorstellung, es wären zwei, drei oder noch mehr Kerzen hintereinander aufgestellt.

 

Weitere Übungen

Diese 15 Übungen sind nur eine kleine Auswahl möglicher Übungen, um den gesamten Körper zu lockern und die Atmung zu intensivieren. Weitere Warm Up Übungen findest du in diesen Büchern:

 

Fazit

Nun weißt du, wie du deinen Körper und deine Atmung für das Singen vorbereiten kannst.

Ich habe dir jeweils fünf Übungen vorgestellt, um die beiden Bereiche Körper und Atmung isoliert aufzuwärmen. Die Atmung ist jedoch auch Teil des Körpers. Mit weiteren fünf Übungen verbindest du sie zu einer Einheit.

Falls du nicht genug davon bekommst, findest du in den drei empfohlenen Büchern weitere Übungen.


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