Wie du Rhythmusgefühl im Körper verankern kannst

Du hast  dein Rhythmusgefühl gefunden und fleißig Songs gesungen, um es zu stärken. Aber warum sieht das bei den Profis trotzdem müheloser aus? Wie kannst du dein Rhythmusgefühl im Körper verankern? Das zeige ich dir heute.

 

Vom Rhythmus-Zählen …

Eins, zwei, drei, vier.

Einatmen.

Und los.

Eins, zwei, und … Ach Mist! Zu spät!

 

Jeder Sänger fängt auf diese Art an, sich mit dem Beat zu beschäftigen. Ganz brav zählen wir und versuchen, dabei gleichzeitig gleichmäßig schnell und konzentriert bei der Sache zu bleiben.

Denn das Zählen der Grundschläge ist nur der Anfang.

Der richtige Startton, der Melodieverlauf, die Register, der Text, Aussprache, Atmung … an die musst du auch alle noch denken!

Bei diesen ganz unterschiedlichen Anforderungen, die das Singen an dich stellt, gerät der Beat gern mal unter die Räder.

 

Wie machen das nur die Profis?

 

 

… zum Rhythmus-Fühlen …

Die nicken lässig mit dem Kopf – runter rauf, runter rauf – während ihr Fuß gleichmäßig auf den Boden der Bühne klopft.

Die scheinen nicht darüber nachzudenken.

Die haben das im Gefühl.

 

Aber wie kam das da hinein?

 

 

Dein Rhythmusgefühl im Körper verankern

Die Antwort ist so simpel, dass es fast schon weh tut: Sie haben es trainiert.

Ihr Körper spürt den Pulsschlag der Musik und ihre Hände, Füße, Köpfe folgen diesem inneren Ticken.

Und sicherlich haben sie auch mit dem Metronom das Puls-Halten geübt. Trotzdem muss man manchmal noch ein paar Schritte weiter vorn beginnen.

 

Bei Übungen, die nicht nur dein Gehirn zum Zählen auffordern.

Sondern auch deinen Körper zum Sich Bewegen.

 

 

Übung 1: Klatsche zur Lieblingsmusik

Schalte deine Lieblingsmusik laut und finde den Beat. Du hörst ihn, wenn du dich auf das Schlagzeug konzentrierst. Genauer gesagt auf die tiefe Bass Drum und die höhere Snare Dum.

In diesem Video hörst du es sehr gut. Und in diesem Video siehst du zusätzlich die Zählzeiten. Konzentriere dich zunächst auf die Grundschläge 1, 2, 3 und 4.

 

Wenn du den Beat gefunden hast, ist dein Körper an der Reihe. Klatsche ihn mit den Händen, nicke ihn mit dem Kopf oder klopfe ihn mit dem Fuß. Fühle bewusst, wie dein Körper dabei arbeitet.

Deine Arme werden schwer.

Deine Handflächen bitzeln.

Deine Nackenmuskeln ächzen.

Deine Wade wird sagen “Danke, ich mag jetzt nicht mehr.”

Bleib dran!

 

Das bisschen Unwohlsein sollte auszuhalten sein. Denn gleichzeitig bereitet es dir wahrscheinlich Spaß, deine Lieblingsmusik zu hören.

Wiederhole das mit unterschiedlichen Lieblingssongs.

 

Tip

Falls deine Lieblingsmusik rasanter Thrash Metal, atmosphärische Ambient Music oder feurige Latin Music ist, fang mit einfachen Songs mit starker Rhythmik an. Sie sind handzahm.

Diese Übung kannst du problemlos trainieren, wenn du 1-2 Minuten Zeit hast: Während du auf den nächsten Kaffee wartest. Im Stau auf der Autobahn. In Bus oder Bahn. In der Mittagspause. In der Warteschlange an der Kasse.

 

 

Übung 2: Marschiere mit dem Metronom

Für diese Übung benötigst du ein Metronom oder eine Metronom-App.

Schalt das Metronom an und wähle ein bequemes Tempo, z.B. 80. Falls du eine App verwendest, stelle einen Vier-Viertel-Takt ein.

Zähle jetzt laut die Schläge mit. Time es so, dass du zur gleichen Zeit sprichst, wie das Metronom klickt.

Und jetzt lauf dazu.

 

Metronom an, zählen, marschieren.

Gleichzeitig.

 

Orientierung

Lege für dich fest, welcher Fuß immer die “1” hat. Nach wenigen Tagen weißt du intuitiv, wo du dich im Takt befindest.

 

Vereinfachung

Manche Sänger überfordert das gleichzeitige Marschieren, Zählen und Klicken des Metronoms. Dann kannst du die Übung vorübergehend in ihre Bestandteile zerlegen. Entweder marschierst und zählst du – und achtest selbst darauf, weder schneller noch langsamer zu werden. Oder du marschierst, während das Metronom klackert. Letztlich zielt diese Übung jedoch darauf ab, dass du alles zur gleichen Zeit bewältigst.

Und mal unter uns: Warum sollte es ausgerechnet dir nicht gelingen, wenn es so viele vor dir geschafft haben?

 

Schweißtreibender geht’s auch

Du kannst die Übung auch schwerer machen, indem du ein höheres Tempo wählst. Zum Beispiel 120 oder 180.

Das gilt dann als Sporteinheit für heute.

 

 

Übung 3: Klatsche zum gedachten Song

Diese Übung beginnt harmlos wie Übung 1, macht dann aber eine abrupte Wende.

Schalte deine Lieblingsmusik an. Klatsche den Beat mit der Hand auf deinen Oberschenkel oder den Tisch.

Nach ein, zwei Strophen dreh mit der anderen Hand die Lautstärke auf 0 herunter.

Die Musik sollte in deinem Kopf weiter erklingen. Und auch deine Hand klatscht weiterhin den Beat.

Halte das Tempo!

Wenn in deinem Kopf der nächste Abschnitt vorbei ist, dreh die Musik wieder laut.

 

Wie weit weg vom Originaltempo bist du?

Klatscht du schneller? Oder langsamer?

 

Wiederhole die Übung mit diesem Abschnitt, bis es klappt. Nutze deine Antworten auf die Fragen, um dein inneres Metronom besser einzustellen. Morgen verwendest du einen anderen Lieblingssong.

 

Vereinfachung

Statt den Song komplett stumm zu schalten, dreh ihn lediglich leiser. So leise, dass du das Schlagzeug nur noch dumpf hörst.

 

 

Übung 4: Klatsche die Achtel dazu

Für diese Übung benötigst du ein Metronom.

Schalte es an und wähle ein bequemes Tempo, z.B. 70. Marschiere nun wieder mit den Füßen gleichmäßig dazu und zähle laut mit.

Klatsche dann mit den Händen (H) doppelt so schnell, wie du mit den Füßen (F) marschierst.

 

Du bewegst also:

1 und 2 und 3 und 4 und
F F F F
H H H H H H H H

 

Mini-Einheit Musiktheorie

Die Füße laufen bequeme Viertelnoten. Die Hände klatschen dazu Achtelnoten. Beide Rhythmen laufen gleichzeitig ab und sind doch unterschiedlich.

 

Vereinfachung

Falls du dir einen Knoten in die Glieder klatschst, klatsche zunächst gleichzeit mit den Händen und laufe mit den Füßen. Wähle dazu ein langsameres Tempo, z.B. 45.

Aber: ultimatives Ziel ist es, dass du deine Hände unabhängig von deinen Füßen bewegst.

 

 

Übung 5: Rhythmisiere deine Hände

Jetzt wirst du wahrscheinlich festgestellt haben, dass alles Klatschen gleich klingt.

Doch Musik hat Struktur.

Beats sind wichtiger als „unds“.

 

Ein einfacher Trick hilft dir, die „unds“ ohne Aufwand leiser zu machen.

 

Klatsche dazu die 1 (oder die 2, die 3, …) ganz normal: Handinnenfläche bzw. Fingerinnenseite auf Handinnenfläche.

Rhythmusgefühl im Körper verankern mit der etwas anderen Art zu klatschen

Übung 5, Schritt 1: Ganz normal klatschen auf den Grundschlag.

 

Für das „und“ drehst du die Hand und klatscht mit der Handaußenfläche auf die Fingerinnenseite.

Rhythmusgefühl im Körper verankern mit der etwas anderen Art zu klatschen

Übung 5, Schritt 2: Das etwas andere Klatschen auf die Zwischenzählzeit.

 

Im ersten Moment ist das ungewohnt. Es hat jedoch zwei Vorteile:

  1. Du klatscht abwechselnd laut und leise. Du hörst also bereits die Struktur des Beats.
  2. Du fühlst den Beat an unterschiedlichen Positionen im Körper. Einmal erhältst du das Feedback von der Handfläche, das nächste Mal von den Fingern.

Beides hilft dir, schneller nicht mehr deine Hände beobachten zu müssen, um den Rhythmus zu halten.

 

 

Übung 6: Klatsche leiser

Spätestens jetzt solltest du warme Hände haben – oder eine deutliche Anstrengung im Nacken oder der Wade spüren.

 

Nochmal zurück zum Lieblingslied. Beginne wie in Übung 1, den Beat mit deinem Körper nachzuvollziehen.

Wenn du ihn hast, lass die Bewegungen kleiner werden.

Kleiner.

Noch kleiner.

Bis deine Hände nur noch “gedacht” klatschen.

 

Denn obwohl sie es nicht mehr tun, läuft das Klicken in deinem Kopf weiter. Perfekt! Bleib gleichmäßig!

Beende den Song mit deinem mentalen Metronom.

 

 

Dein neues Rhythmusgefühl im Song anwenden

Nach dem ganzen Klatschen, Wippen und Klopfen bist du bereit für die nächste Stufe: Rhythmus und Singen gleichzeitig.

 

 

Übung 7: Bereite den Song vor

Zunächst kommt die langweilige, aber nützliche Vorarbeit.

Du brauchst:

  • Noten von deinem Song
  • Bleistift
  • Radiergummi
  • Anfängerkenntnisse in Musiktheorie
  • Fähigkeit zu addieren

 

Am leichtesten ist diese Übung, wenn tatsächlich Noten vor dir liegen. Dort hat dir jemand netterweise die Arbeit abgenommen, Takte und Notenwerte aufzuschreiben.

Außerdem solltest du aus der Musiktheorie Folgendes wissen: Notenwerte, Pausenwerte, Verbalkung, die üblichen Taktarten und woran du einen Takt erkennst.

 

Schau dir zunächst an, welche Taktart dein Song hat.

Ein 4/4-Takt hat vier Viertelnoten als Grundwert. Du hörst 4 Schläge pro Takt: 1, 2, 3, 4.

Ein 3/4-Takt hat dagegen nur 3 Schläge: 1, 2, 3.

 

Schau dir nun den ersten Takt an, in dem Text unter den Noten steht. Alle Noten darin müssen zusammen 4 Schläge ergeben, wenn dein Lied im 4/4-Takt steht.

Soweit klar?

Gut.

 

Nun schau, wo genau die Grundschläge liegen. Silben abzählen gilt leider nicht. Ein Blick auf die Verbalkung der kleinen Notenwerte und Plusrechnen hilft dagegen. Wenn du sie gefunden hast, schreib sie über die entsprechenden Noten.

 

Im letzten Schritt guckst du, welche Silben auf die Grundschläge gesungen werden.

Diese betonten Silben sind oft dieselben, die du auch beim Sprechen betonst:

“HAP-py BIRTH-day”

 

Manchmal nicht.

 

Dann betont der Grundschlag eine Silbe, die du beim Sprechen überhaupt nicht betonst.

“hap-PY birth-DAY”

 

Rhythmusgefühl im Körper verankern

Die Grundschläge in “Sing” von Ed Sheeran. In der oberen Zeile wird alles normal betont, in der unteren Zeile bei “just figure it out” nicht.

 

Darf’s ein bisschen schwerer sein?

Du darfst gern die “und”s zwischen den Grundschlägen notieren. Bei Songs wie “Sing” von Ed Sheeran lohnt sich das. Dann behältst du eine bessere Übersicht und dein Rhythmusgefühl wird noch sicherer.

 

 

Übung 8: Sprich den Text zum Beat

Nimm deinen Song. Wähle einen Abschnitt mit einer leichten Melodie aus.

Meistens ist das der Refrain.

Laufe den Beat und sprich dazu den Text. Die Silben, über denen eine Zahl steht, musst du auf dem Beat platzieren.

 

Und so hört es sich bei “Sing” an:

 

Hör nicht auf zu laufen! Oder zu klatschen! Oder mit dem Finger auf die Tischplatte zu trommeln!

Und sprich weiter!

Ja, das ist manchmal Arbeit.

Und wenn es klappt, wirst du dich glücklich und stolz fühlen.

Also bleib dran.

 

Hilfe!

Nimm gern das Metronom dazu, wenn der Beat im Körper unrund wird. Ein langsames Tempo (60-80) hilft zusätzlich.

 

 

Übung 9: Sing die Melodie zum Beat

Doch du bist ja kein Rapper, sondern Sänger. Also ran an die Töne.

Im Wesentlichen machst du dasselbe wie in der letzten Übung. Der Unterschied? Jetzt singst du den Text.

Laufen, Beat halten, singen.

Los gehts.

 

Bei „Sing“ hört sich das so an:

 

Tip

Wenn die Melodie wackelt oder die Tonart nicht hundertprozentig stimmt, ist das nicht schlimm. Dein Fokus sollte unbedingt beim Beat bleiben. Intonation, Text, Gefühl in der Stimme oder dass es schön klingt kommt später. Konzentrier dich!

 

Das Rhythmusgefühl im Körper verankern wie die Profis

Haben alle Profi-Sänger solche Übungen gemacht?

Mit Sicherheit!

Auch wenn nicht alle es mit Singen trainiert haben, sondern vielleicht am Klavier, am Schlagzeug, an der Gitarre. Den Grundschlag zu halten ist Basisarbeit.

 

Und damit dabei kein Stress aufkommt, hier die wichtigsten Tipps nochmal zusammengefasst:

  • Trainiere kleine Abschnitte – ein Chorus, eine halbe Strophe, eine Zeile der Bridge.
  • Stell das Metronom langsam. 50-70 für den Anfang, je nachdem, wie schnell der Song im Original ist.
  • Bleib positiv und entspannt. So wie bei deiner Lieblingsmusik.
  • Probiere andere Taktarten aus, um dich weiter zu entwickeln. Nach dem 4/4-Takt findest du am häufigsten 6/8, 12/8 und 3/4 in der Popmusik.

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