Was tun, wenn ein Song zu leicht ist?
Heute zeige ich dir 8 Ideen, was du tun kannst, wenn ein Song zu leicht ist. Für das Interessanter Gestalten brauchst du nur ein bisschen Mut und darfst deiner Kreativität freien Lauf lassen.
Der Song ist zu leicht!
Wenn du schon eine Weile singst, gerätst du häufiger an Songs, die keine große Herausforderung mehr darstellen. So wirklich „falsch“ sind sie ja nicht. Du willst sie aber trotzdem singen, weil du sie schön findest, die Message stark ist oder deine Auftraggeber sie verlangen.
Das Problem daran? Die Messlatte hängt tief. Du bist schnell gelangweilt. Oder frustriert. Oder hast wenig Inspiration, was du damit anstellen sollst.
Mit geht es oft genauso. Nach fast 20 Jahren Singen gehen mir sehr viele Songs leicht von der Hand. Deswegen habe ich 8 Ideen zusammengetragen, wie du Songs kreativer machen und deinen Ausdruck steigern kannst.
In der Improvisation gibt es keine Fehler
sagte Miles Davis. Probier Neues aus. Riskiere was. Versuch nicht, lustig oder originell zu sein. Aber sei begeistert darauf, Fehler machen zu dürfen. Denn die Improvisation ist der Schlüssel, mit dem du dir leichte Songs zu eigen machst.
Was du dazu brauchst?
- einen Song
- einen Backing Track
- … oder jemanden, der für dich spielt, während du improvisierst
- eine App, die loopen kann
- eine App, die Songs langsamer abspielen kann
„Improvisation ist Intuition im Einsatz – ein Weg, die Muse zu entdecken und zu lernen, auf sie zu reagieren.“
Stephen Nachmanovitch
Verziere die Melodie
Hör dir zunächst einmal an, was andere Sänger mit deinem Song, aber auch allgemein mit Melodien machen. Am einfachsten geht das mit einer App, die die Songs langsamer abspielen kann, z.B. Anytune oder Music Slow Downer.
Ausdrucksstarke Künstler sind zum Beispiel Christina Aguilera, Ariana Grande („Dangerous Woman“), John Legend („Love Me Now“, „Ordinary People“), Ed Sheeran („Thinking Out Loud“) und Adele („When We Were Young“).
Danach solltest du es selbst ausprobieren. Suche eine Verzierung, die dich anspricht und verwende sie mehrfach nacheinander. Übertreib es dabei ruhig, um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob sie für den Song und deine Stimme funktioniert.
Für diese Option ist es wichtig, dass du Tonleiter singen kannst, um die Tonalität des Songs zu erhalten. Es ist anfangs leichter, in einem Blues die Blues-Skala zu verwenden. In einem unscheinbaren Dur- oder Moll-Song kannst du aber auch bewusst Kontraste setzen, wenn du Elemente aus exotischeren Skalen verwendest.
Einige Sänger haben dazu Tutorials erstellt, mit denen du das Riffen lernen kannst.
- Natalie Weiss mit ihrer Serie „Breaking Down the Riffs“
- Felicia Ricci
- Eric Arceneaux
- Freya Casey
Benutze Stimmeffekte
Auch hier geht der erste Schritt über das Anhören und Ideensammeln bei anderen Sängern. James Hetfield (Metallica) beendet Silben am Ende einer Phrase oft mit einem knappen „a“ oder „ja“. Erik Grönwall (H.e.a.t) drückt manchmal die Kehle am Ende eines langen Tons zu und zieht den Ton leicht nach oben, was in einem spitzen Klang endet. Tatiana Shmailyuk (Jinjer) produziert einen deutlichen Kontrast zwischen Growlen und Cleargesang.
Im Buch „Stimmausbildung in der Popularmusik“ erklärt Martina Freytag zahlreiche Verzierungen, orientiert sich dabei aber eher an Popmusik. Die Complete Vocal Technique und The Four Pillars of Singing hingegen befasst sich intensiv mit Stimmeffekten in der Rockmusik.
Bau eine Modulation ein
Modulationen passieren, wenn du innerhalb des Songs dauerhaft von einer Tonart in eine andere wechselst und diesen Wechsel vorbereitest. Der Wechsel klingt sanft. Wenn der Song in eine höhere Tonart moduliert, wird die Spannung gesteigert.
In einer schlüssigen Modulation verbindest du die Tonarten mit einem Akkord oder einer Kadenz, die in beiden Tonarten Sinn macht. Dafür brauchst du Musiktheorie-Wissen. Eine gute Erklärungen mit Songbeispielen findest du hier.
Ändere die Formteile
Du kennst dieses Phänomen sicherlich: Manche Songs sind langweilig, weil die Story für dich keinen Sinn macht. Oder dir fehlt einfach Zeit zum Verschnaufen. Kein Problem!
Beim Covern darfst du Songs so anpassen, dass sie für dich Sinn machen.
- Die Story ist zu langatmig? Streich ein paar Strophen. Beispiel: „Colours“, Donovan.
- Der Chorus kommt zu oft vor? Straff den Song, indem du zwei Strophen hintereinander singst. Beispiel: „Burn“, Ellie Goulding.
- Zwischen zwei Formteilen ist zu wenig Zeit, um ausreichend zu atmen oder von einem Register zurück in ein anderes zu wechseln? Bau 4 oder 8 Takte ein, je nach Länge der Akkordfolge. Beispiel: „Lieblingsmensch“, Namika.
- Das Outro ist zu kurz, um frei zu improvisieren? Verdoppel die Anzahl der Takte. Beispiel: „New Year’s Day“, Taylor Swift.
Trau dich, die Story so zu erzählen und die Musik so zu spielen, dass du sie spannend findest.
Verändere die Harmonien
Songs stehen und fallen mit ihren Harmonien. Wenn du die bestehenden also veränderst oder erweiterst, veränderst den gesamten Klang. Außerdem steht dir mehr Tonmaterial für melodische Verzierungen zur Verfügung. Reizvolle Ergänzungen sind Parallelakkorde, enharmonische Verwechslungen, Erweiterungen mit 7, 9, 11 oder 13 und Sus-Akkorde.
Ein simpler Trick besteht darin, nicht den Grundton eines Akkords zu spielen, sondern eine Terz tiefer. Damit gelangst du automatisch in den Parallelakkord, der zusätzlich die spannungsreiche Septime enthält. Hier findest du die vollständige Erklärung.
Wie der Prozess von einfachen zu komplexen Harmonien ablaufen kann, findest du in diesem Video.
Im Buch „Allgemeine Musiklehre anschaulich erklärt“ findest du eine kurze Anleitung mit Noten und im Buch „Die Popformeln“ nimmt Volkmar Kramarz die gängigen Harmoniemodelle der Popularmusik unter die Lupe.
Covere kreativ
Über das Covern habe ich bereits hier ausführlich berichtet: „In 4 Schritten zum gelungenen Cover“. In der Fallstudie „Nothing Else Matters“ zeige ich, wie andere Künstler kreativ covern.
Spiel mit den Registern
Zurück zum eigentlichen Singen. Du kannst die Bruststimme und Kopfstimme spielerisch einsetzen. In der Popularmusik wird häufig mit dem kraftvollen Brustregister gearbeitet, das Kopfregister wird sparsamer verwendet.
Das hängt natürlich auch vom Stil des Songs ab. Ein Rocksong verwendet mehr Bruststimme, ein Jazz- oder Folksong mehr Kopfstimme.
- Erik Grönwall (H.e.a.t) ist Meister im flexiblen Einsatz der Register. Vergleich den 1. Chorus von „We Rule“ mit dem 2. und dem letzten Chorus.
- Die Postmodern Jukebox hat „Zombie“ von den Cranberries gecovert. Die Soul-Sängerin Maiya Sykes verwendet dabei das stiltypische Flippen in die Kopfstimme.
- Ariana Grande verwendet in „Right There“ einige unerwartete Registereinsätze.
Variiere den gesamten Stil
Das ist die ultimative Variante von „Ich mach mir den Song schwerer.“ Es fängt bei den Basics Tempo, Feeling, Instrumente an. Dann wird Colbie Caillats Popballade „Try“ durch ternäre Achtel und ein etwas langsameres Tempo je nach Instrumentierung zu einer Swing-Nummer oder zu einer angejazzten Ballade.
Berühmte Beispiele sind:
- Alles, was die Postmodern Jukebox macht.
- Meg Pfeifer hat es mit „Pokerface“ von Lady Gaga getan.
- Alles, was Steve’n’Seagulls macht.
- Alles, was du bei „Sing mein Song“ hörst.
Mit der „iReal Pro“ App kannst du das übrigens unkompliziert ausprobieren. Dort kannst du den Stil der Backing Tracks mit wenigen Klicks verändern.
Fazit
Wenn du zum ersten Mal vor dem Problem stehst, dass dir ein Song zu leicht ist, wirst du etwas Zeit brauchen, um diese Ideen umzusetzen. Du musst auch nicht gleich alle umsetzen. Je häufiger du deine Songs aber veränderst, desto schneller kommst du in den Arbeitsprozess. Trotzdem wünsche ich dir viel Spaß beim umsetzen dieser stimmlichen und musikalischen Variationen.
Was sind deine Erfahrungen mit Songs, die zu einfach sind? Was tust du mit ihnen?
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